Unterwegs auf dem Camino Francés / Finisterre
Von Astorga nach Foncebadón

Tag 21 (Mi, 18.5.2022) – Von Astorga nach Foncebadón

Es ist jetzt 13.30 Uhr. Es geht heute den ganzen Tag, 25 km bis Foncebadón, immer entlang der Straße auf einem Schotterweg bergauf. 20 km sind jetzt geschafft und ich muss erstmal eine Pause einlegen, weil mir alles wehtut. Am liebsten würde ich mich jetzt lang hinlegen und ein Stündchen schlafen. Aber da ich nicht weiß, wie es am Zielort mit Herbergen bestellt ist, will ich dort nicht unbedingt als Letzter ankommen.

Gerade als ich los wollte, kam Jutta aus Bonn, mit der ich am Vormittag schon ein Stück gelaufen bin und eine interessante Unterhaltung hatte. Sie hat bis vor kurzem im Auftrag des Jugendamtes einen jungen Afghanen betreut, der 2016 nach Deutschland kam, hier das Abi gemacht hat und jetzt studiert. Da er jetzt gut allein klar kommt und mit 21 Jahren die Förderung des Jugendamtes entfällt, sucht sie jetzt eine neue Tätigkeit im sozialen Bereich, will aber vorher noch den Camino laufen. Ihr Mann ist Professor und arbeitet in Leipzig als Sprachforscher. Der sucht in alten lateinischen Urkunden nach althochdeutschen Wörtern, die darin immer mal vorkommen. Es gibt also einiges zu erzählen. Ich bin natürlich nicht losgerannt, als sie kam, sondern habe gewartet, bis sie ihr (alkoholfreies) Bier getrunken haben und dann sind wir gemeinsam los.

Der Weg führte schon den ganzen Tag leicht bergauf, jetzt wurde es etwas steiler. Als der Schotterweg mal wieder die Straße kreuzte, haben wir beschlossen, diese statt dessen Schotterweges zu benutzen, weil da einfach die Gefahr des Stolperns und Umknickens geringer ist. Ziemlich schnaufend haben wir das Ziel in 1400 Meter Höhe erreicht. Zum Reden hatte dabei keiner Lust, weil der Aufstieg ziemlich anstrengend war und die Luft knapp wurde. Wir haben verabredet, uns am Abend in einer Kneipe zu treffen und unsere Unterhaltung fortzusetzen. Da sitze ich nun schon bei einem Estrella Galicia.

Wir haben hier in Foncebadón in den ersten drei Herbergen vergeblich nach Unterkunft gefragt - alles reserviert. Dann gab es in einer privaten Herberge noch ein Bett, das sie genommen hat, ich habe schräg gegenüber in der kirchlichen Herberge das letzte Bett erwischt. Um es freundlich zu sagen: urig. Ein recht kleiner Raum vollgestellt mit 9 Doppelstockbetten, so dicht, dass man sich den Weg im Labyrinth gut einprägen muss. Ich habe glücklicherweise mal im Unterdeck ein Bett bekommen, ohne irgendeine Lücke oder Wand steht gleich daneben das Nachbarbett. Ich kann also problemlos mit meiner Nachbarin kuscheln, wenn die denn mag.

Während ich hier genüsslich vor der Bar mein Bier trinke, kommt plötzlich Juan aus der Bar. Er und die Italiener und Amerikaner, mit denen er gestern unterwegs war, haben auch in der kirchlichen Herberge eingecheckt. Das wird ja lustig werden.

Morgen geht es noch ein kleines Stück bergauf auf 1500 Meter zum Cruz de Ferro und dann runter bis auf 500 Meter. Tina und Ralf, die mich gestern schon einholen wollten, sind immer noch 15 km hinter mir. Die müssen sich anstrengen, wenn wir zusammen Herrentag feiern wollen.

Die heutige Etappe war insofern interessant, weil der Weg durch mehrere halb verlassene Bergdörfer führte. Es gibt ein paar wenige schön hergerichtete Häuser, einige, die zum Verkauf stehen und viele, die schon verfallen und verlassen sind. Ohne den Jakobsweg gäbe es da keine Herbergen und wahrscheinlich auch keine Kneipen mehr. Da ja täglich doch ein paar hundert Leute durch die Dörfer ziehen, trauen sich einige sogar, einen kleinen Laden aufzumachen, den es sonst nicht geben würde.

Bis hier her kann ich keine Kommerzialisierung des Weges wahrnehmen, sondern nur, dass es hier in vielen Dörfern ohne den Weg ganz traurig aussähe.

Es ist wirklich schön zu sehen, dass hier keiner die Pilgerei ausnutzt. Die Preise für Essen und Trinken sind moderat und keiner versucht, dir was aufzuschwatzen oder dich in eine Gaststätte zu zerren, wie das in den Touristenorten der Fall ist. Im Gegenteil. Es gibt Einige, die sich ohne Eigennutz bemühen, den Pilgern ihren Weg zu erleichtern. Am Weg aus León heraus stand plötzlich in einem Gewerbegebiet ein Pilgerhilfspunkt. Ein Mann, vermutlich Mitglied eines Pilgervereins, hatte dort einen Stand aufgebaut, an dem man gegen eine Spende Snacks und Getränke erwerben konnte.

Ein paar Kilometer weiter, gegenüber dem Kirchturm mit den vielen Störchen, hatte einer einen kleinen Laden eingerichtet, bei den es alles zu kaufen gab, was ein Pilger evtl. braucht: Pflaster, Sonnencreme, Hygieneartikel, Sandalen, kleine Rucksäcke, Fahrradschläuche usw. In einem anderen Abteil gab es Nüsse, Schokolade, Chips etc. und alle möglichen Süßigkeiten. Im Kühlschrank Getränke und in einem Drehregal sauber verpackt Sandwiches und das zu Preisen, die bestimmt kaum über dem Einkaufspreis lagen. Aber der Betreiber des Ladens hat sich riesig über jeden Pilger gefreut.

Von David mit seinem Imbissangebot am Wegesrand habe ich ja schon berichtet. Nicht vergessen will ich bei meiner Lobeshymne die Hospitaleros, die sich ehrenamtlich um die Herbergen kümmern. In der großen Herberge, wo wir nur zu zweit waren, waren es zwei Italiener aus Bologna, die zwei Wochen ihres Urlaubs geopfert haben, um die Herberge zu betreiben. Wenn sie zurück fliegen, kommen zwei andere aus Bologna als Ablösung. Ein dortiger Verein hat die Betreuung der Herberge übernommen. Alle Achtung. Ich könnte das nicht, obwohl ich die Zeit hätte: morgens die Leute fröhlich davonziehen sehen, dann aufräumen, Saubermachen, Wäsche waschen usw. Das ist wirklich Dienst am Nächsten oder Nächstenliebe. Toll, dass sich immer wieder Leute dafür finden.

Camino Francés / Finisterre - Tag 21