Am Sonntag, den 24. Oktober 2021 stand die zweite Etappe unserer Pilgertour anlässlich der Eröffnung des Jakobsweges entlang der Via Imperii von Stettin nach Berlin auf dem Programm. Am Tag zuvor sind wir von Angermünde nach Groß-Ziethen gelaufen, nun sollte es nach Kloster Chorin und evtl. weiter bis nach Eberswalde gehen. Wir, das waren 22 Pilger, die einer Einladung der Jakobusgesellschaft Brandenburg-Oderregion gefolgt sind.
Wir hatten im Groß-Ziethener Pfarrhaus Quartier bezogen und mehrheitlich eine gute Nacht gehabt. Nach einem fürstlichen Frühstück, das Bettina herangeschafft hatte und für das die Hausherrin, Pfarrerin Cornelia Müller (rechts), viel beigesteuert hatte, wurden die Rucksäcke gepackt, auf- und weggeräumt und vor der Herberge Aufstellung genommen.
Wie bei Gruppenfotos üblich, näherte sich auch hier die Zahl der Fotografen jener der Fotografierten - daher die Lücken.
Dann hieß es Abschied nehmen von unserem Quartier, in dem wir so gut Unterkunft gefunden hatten und so liebevoll empfangen und umsorgt wurden.
Von unserer lieben Gastgeberin Cornelia mussten wir uns hier noch nicht verabschieden, denn sie wollte uns auf unserer Pilgertour nach Kloster Chorin begleiten und nur schnell das Auto fortschaffen und ihr Hündchen schnappen, das ebenfalls mitpilgern wollte oder sollte.
Zum Glück hatte ich mich am Abend zuvor und bei einem früheren Besuch schon in Groß-Ziethen umgesehen, denn jetzt ging es in einem forschen Tempo durch den Ort und es blieb kaum Zeit für ein paar Fotos. Und das bei so viel Sehenswertem.
Groß-Ziethen wurde 1275 erstmals urkundlich erwähnt und zwar als die Markgrafen Otto und Albrecht das Dorf dem Kloster Chorin geschenkt haben. Nach dem 30jährigen Krieg wurden hier wie schon berichtet Kolonisten aus Nordfrankreich angesiedelt, deren Spuren man noch an vielen Stellen entdecken kann. Zum Beispiel bauten die zugezogenen Franzosen die im Krieg zerstörte Kirche wieder auf und rings um den Ort Tabak an.
Um nicht den Anschluss zu verlieren, konnte ich nur einen kurzen Blick in eine interessante Ausstellung über Herkunft und Nutzung der Feldsteine in hiesiger Gegend werfen.
Selbstredend war diese aus vielleicht zwei Dutzend Infotafeln bestehende Ausstellung in der Ruine einer Feldsteinscheune untergebracht, die für solche Zwecke hergerichtet wurde.
Am Ortsausgang führt der Jakobsweg vorbei an der „Pension Heidekraut“, die Pilgern zu empfehlen ist, die nicht auf Feld­betten schlafen können oder wollen. Dann überquert er die B198 und führt als Buchholzer Weg annähernd nach Süden.
Erwähnt sei noch, dass ab Groß-Ziethen der ausgeschilderte Weg (der aus Klein-Ziethen kommt) wieder dem in der Wanderkarte verzeichneten Weg entspricht, auf dem wir aus Altkünkendorf gekommen sind.
Die Gruppe oder zumindest deren Nachhut war bald eingeholt, denn Cornelias Hündchen fand den Ausflug so spannend, dass es zunächst überall schnuppern musste. Aber dann hat es sich gefügt, aus den kleinen Beinchen alles herausgeholt und ganz tapfer mitgehalten.
Nur durch ein kleines Wäldchen unterbrochen ging es auf Feldwegen nach Buchholz. Die saftig grünen Felder und Wiesen, die bunt belaubten Bäume und der blaue Himmel schmeichelten dabei dem Auge und dem Gemüt.
In Buchholz gibt es nur wenige Häuser, die zudem kaum intakt sind. Aber wie es scheint, wird an allen gearbeitet.
Am Gedenkstein für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Buchholzer war erstmals die Wege­führung durch die Jakobsmuschel nicht sofort erkennbar. Intuitiv ist man geneigt, dem Buchholzer Weg links am Denkmal vorbei zu folgen, aber es geht rechts auf einem schmalen Pfad in einen Hohlweg hinein, dem man an der nächsten Gabelung nach links folgen muss.
Der Hohlweg bot ein bisschen Abenteuer: umgestürzte Baumstämme musste überklettert oder unterquert werden, was nicht nur den Beteiligten, sondern auch den Zuschauern Spaß machte. Knackten da die Bäume oder die Gelenke?
Ganz unerwartet bot sich zwischendurch mal kurz der Blick nach links auf eine scheinbar unberührte Natur (oben rechts).
Am Ende des Hohlweges war Sammeln angesagt, denn die Kletterei über die Baumstände hatte die Gruppe doch ganz schön auseinander gezogen. Als alle einschließlich „Mutter mit Kind“ angekommen waren, ging es, dem Wegweiser nach Serwest und Brodowin folgend, weiter. Massig viele Wanderer/Pilger scheinen hier nicht unterwegs zu sein, denn die Rinder auf der Koppel schauten, als wären wir die ersten, die sie zu sehen bekommen.
Auf einem glatten, dicht mit Bäumen bestandenen Feldweg, „Buchholzer Straße“ genannt, ging es weiter nach Serwest, aber nicht in den Ort hinein, sondern kurz vorher an einer Gabelung rechts ab über die L200 zum Bahnübergang.
Dank der Jakobsmuschel an den alten ehrwürdigen Bäumen war es hier nahezu unmöglich, sich zu verlaufen.
Die Jakobsmuschel ist hier allgegenwärtig, auch am Schweinepest-Schild und neben der Imker-Glocke. Unterwegs hätte man nämlich auch Honig aus hofeigener Imkerei kaufen können, aber bisher habe ich auf keiner Packliste für den Pilgerrucksack ein Honigglas gefunden.
Schön, dass der Imker trotzdem für den Jakobsweg wirbt.
Was es mit dem Bibelgarten neben der Freiwilligen Feuerwehr auf sich hat, konnten wir leider im Vorbeigehen nicht klären. Da müssen wir beim nächsten Mal schon dem Wegweiser folgen. Die beiden Graureiher auf dem Feld machten einen solchen Krach, dass man unwillkürlich in Erwartung eines Überfalls zusammengezuckt ist.
Am Bahnübergang kam es, wie es kommen musste. Kaum waren die Ersten rüber, ging die Schranke runter. Aber bis der RE3 vorbei gerauscht war, bot sich eine gute Möglichkeit, dem Körper Flüssigkeit zuzuführen oder solche aus dem Körper abzulassen.
Hinter der Bahn ging es zunächst am Waldrand entlang und dann hinein in einen dichten Laubwald, der alle Laubfarben zu bieten hatte. Der glatt gewalzte Weg, der schnelles Vorankommen erlaubte, führte nach Weißensee, einem zu Chorin gehörenden „Wohnplatz“.
Am Rastplatz in Weißensee wimmelt es an Wegweisern und einige davon führen nach Chorin. Denen darf man aber nicht folgen, wenn man auf dem Jakobsweg bleiben will, denn die führen rechts um den Weißen See herum.
Der Pilger nehme den Weg nach links, entlang der Straße und vorbei an der „gläsernen Molkerei“ nach Brodowin.
In Brodowin, einem schönen, langgestreckten Angerdorf, das sogar eine funktionierende Gaststätte und mehrere Pensionen zu bieten hat, ist auch für den eiligen Pilger der Besuch der „Stüler-Kirche“ ein Muss. Die tagsüber eigentlich immer offen stehende Kirche wurde 1852/53 als Ersatz für den bei einem Dorfbrand zerstörten Vorgängerbau errichtet.
Die Pläne für diese Kirche stammten von Friedrich August Stüler (1800 bis 1865), einem Schüler Schinkels und Berater des Königs Friedrich Wilhelm IV. Die Außenwände zeigen eine sehr gelungene Kombination von Backsteinen und exakt gespaltenen Feldsteinen.
Im Innern der Kirche geben große Info-Tafeln Auskunft über das Leben F. A. Stülers und seine Werke, die von Kirchen über Schlösser und Museen bis hin zu Brücken reichten.
Auf dem Anger boten sich viele Sitzgelegenheiten für eine Rast an und wir machten gern Gebrauch davon. Je nach Interessenlage und Hungergefühl konnte man sich entweder gründlich die Kirche anschauen und dann schnell einen Happen runterschlingen, oder nur kurz in die Kirche schauen und dann ausgiebig Picknick machen. Beides wurde genutzt.
Beim Weitermarsch wurde am Ende des Angers der „Friedensbaum“ bestaunt: ein Gruppe von Holzstämmen, die kunstvoll mit Friedenssymbolen geschmückt sind und an denen Tafeln mit Gedichten und Friedenswünschen heften.
Dann ging es am Wegweiser scharf rechts ab auf den mit der Jakobsmuschel markierten Weg nach Kloster Chorin.
Auf einem ordentlichen, aber für Halbschuhe nicht unbedingt geeigneten Kopfsteinpflasterweg ging es zunächst zwischen Feldern hindurch und dann hinein in den dichten Wald.
Dort, wo es ein paar Sonnenstrahlen durch die Baumkronen schafften, lieferte das Herbstlaub ein fast berauschendes Farbenspiel. Es machte einfach Spaß, hier zu laufen.
Der Weg unter unseren Füßen war der Denglerweg, benannt nach dem Forstmeister Professor Alfred Dengler (1874-1944).
Der war Verwalter der Lehroberförsterei Chorin und später Professor für Waldbau an der Forstlichen Hochschule Eberswalde. Ihm ist ein Denkmal am Wegesrand gewidmet: Ein Findling mit einer Plakette, die sein Portrait zeigt.
Am Ende des Weges war eine Barriere zu überwinden, die eigentlich Wildschweine aufhalten soll, aber auch für Menschen nicht so leicht zu überwinden war. Hier war eine Kombination aus Kraft und Geschick gefragt, um das Tor zu öffnen. Diese Herausforderung haben alle gemeistert und bald stimmten am Sammelpunkt Soll- und Iststärke unserer Gruppe überein.
Auf der anderen Straßenseite wartete schon der Amtssee auf uns, dessen vermeintliches Blau mit dem des Himmels konkurrierte. Hier gab es Spiegelbilder, die es als Puzzle gut mit denen namhafter Hersteller hätten aufnehmen können.
Schade war aber, dass es an der Straße nur einen schmalen Trampelpfad gab, der uns zum Gänsemarsch zwang.
Als der See halb umrundet war, lag endlich das Kloster, das schon mehrmals zwischen den Bäumen und als Spiegelbild auf dem See zu sehen war, in voller Schönheit vor uns.
Es ist unglaublich, was die Zisterzienser hier im 13. Jahr­hundert geschaffen haben und was zuletzt geleistet wurde, um die zwischenzeitlich verfallene Abtei zu rekonstruieren.
Da wir angemeldet waren und bereits erwartet wurden, gelangten wir durch einen Seiteneingang ins Kloster.
Da bis zum Pilgermahl noch Zeit war, schauten wir uns erst einmal in den Gemäuern um. Einige suchten sich auch ein sonniges Plätzchen, um von dort die Gebäude zu bewundern, oder einfach nur den schönen Nachmittag zu genießen.
Gegen 14 Uhr wurden wir in die Klosterküche gebeten, das Gebäude mit dem Ziergiebel am linken Ende des Kreuzganges. Dort war für uns ein Pilgermahl vorbereitet, bestehend aus leckerer Suppe, köstlichem Brot mit Aufstrich, sowie Kaffee und kalten Getränken.
Die Suppe und das von Pilgerbrot eines Eberswalder Bäckers schmeckten so schon hervorragend, aber die Atmosphäre in dem alten Gemäuer steigerte noch den Genuss. Man musste aufpassen, dass man sich beim staunenden Umherschauen während des Essens nicht bekleckert.
Ein Essen in solchem Ambiente hat wohl niemand erwartet.
Wenn man sich nach langer Wanderung setzt, ist es ohnehin schwer, wieder aufzustehen. Hier war es fast unmöglich.
Sven Ahlhelm (rechts im Bild stehend) vom Projekt „Spiritualität und Tourismus in Barnim und Uckermark“, der das Pilgermahl (und die folgende Andacht) organisiert und sogar Sponsoren gefunden hat, sei herzlicher Dank gesagt.
Zusammen mit einer inzwischen eingetroffenen Pilgergruppe aus Eberswalde ging es um halb Drei in die Klosterkapelle, wo als Abschluss der Pilgertour eine vom Pfarrer Andreas Lorenz (Ev. Pfarramt Brodowin-Chorin) gestaltete, sehr stimmungsvolle Andacht gehalten wurde.
Nicht nur die Gebetstexte und Lieder waren auf dieses Pilgererlebnis abgestellt, sondern auch die Deko am Altar - Marias Rucksack, der wieder 40 km mehr hinter sich hat.
Christopher hat es nicht versäumt, vor der Andacht in der Kapelle herzlichen Dank an alle zu sagen, die zum guten Gelingen der Pilgertour beigetragen haben, vor allem Cornelia für Ihre freundliche Aufnahme in der Herberge und an Sven für die großartige Bewirtung hier. Ein Dank ging auch an Olaf Schilling, der zusammen mit Sven in den zurück­liegenden Wochen den Jakobsweg entlang der Via Imperii markiert hat. Dem kann man sich nur anschließen!
Dann hieß es Abschied nehmen. Es war ein schönes, erlebnisreiches Wochenende mit genau so viel Spiritualität wie nötig ist, um eine Wanderung zur Pilgertour zu machen.

Während sich der größte Teil unserer Pilgergruppe nach dem Abschied mehr oder weniger schnell zum Bahnhof aufmachte oder wartenden Autos zustrebte, hatte sich ein kleines Grüppchen vorgenommen, noch das Stück bis Eberswalde zu laufen, um die zweite Etappe auf dem Abschnitt Angermünde - Eberswalde des Jakobsweges komplett zu machen.
Bei immer noch strahlendem Sonnenschein ging es vorbei an der Ruine der Klostermühle und wie ausgeschildert in einem großen Bogen nach Sandkrug. Nach Durchqueren dieses kleinen Ortes gelangten wir durch ein kleines Wäldchen und über die Ameisenbrücke zum Großen Heiligen See.
Der Weg entlang des Sees bot viele schöne Blicke.
An der Siedlung Ragöser Mühle ging es über die L200 und hinein in den bis zum Oder-Havel-Kanal reichenden Wald.
Wir liefen lange geradeaus, bis ein Zeichen das Abbiegen nach rechts gebot. Hier bin ich unlängst wieder auf den Weg gestoßen, als ich auf der Tour Angermünde-Eberswalde aus Zeitgründen Chorin ausgelassen und abgekürzt habe.
Nun ging es in Richtung Südosten vorbei an einem Moor, bis ein riesiger Damm den Weg und die Sicht versperrte.
Der Weg führte weiter nach rechts leicht bergauf entlang des Ragöser Dammes, in dessen Krone der Oder-Havel-Kanal verläuft. Der Damm ist erforderlich, weil hier die nunmehr kleine Ragöse einst ein tiefes, breites Tal gebildet hatte.
Würde es am Ufer des Kanals Bänke geben, hätten wir dort sicher bis zum Einbruch der Dämmerung ausgehalten.
Aber obwohl an der Brücke, die man nach 1 km Wanderung am Kanal erreicht, Eberswalde anfängt, ist es noch eine Stunde bis ins Zentrum und noch ein bisschen weiter bis zum Bahnhof. Bis dahin ist es sicher dunkel. Also los!
Da bis zum RE3 um 18.52 Uhr etwas Zeit war, haben wir noch einen kleinen Rundgang durch Eberwalde gemacht:
Vorbei an der ehemaligen Adler-Apotheke mit Touristeninfo und dem Museum Eberwalde, durch die kleine Fußgänger­zone, vorbei an der „Ruferin“ des Bildhauers Eckhard Herrmann am Markt-Brunnen zur Maria-Magdalena-Kirche.
Baubeginn war für die Maria-Magdalena-Kirche, deren Inneres Ende 2019 durch einen Schwelbrand schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, im Jahre 1333.
Nach einem Stadtbrand wurde sie 1503 umgebaut, ebenso 1726 und 1876. 1993 war die Fassade dran. - so steht es bei Wikipedia, wo ich fast immer mein Wissen herhole.
Ich habe versucht, unter den Terrakotta-Figuren am Portal einen Jakobus auszumachen. Das ist mir aber nicht gelungen, was ich auf die eintretende Dunkelheit zurückgeführt habe.
Über den Hof des Paul-Wunderlich-Hauses (unten links), das die Kreisverwaltung Barnim beherbergt, ging es zur Friedrich-Ebert-Straße und weiter zur Eisenbahnstraße (B167), die, wie ihr Name verspricht, zum Bahnhof (unten, Mitte) führt.
Die bis zur Abfahrt verbliebenen Minuten reichten gerade aus, um an den maroden Automaten eine Fahrkarte zu ziehen.
Es blieb keine Zeit für den Bäckerburschen in der Bahnhofshalle (oben rechts), dessen Vorlage einst den in Eberwalde erfundenen Spritzkuchen auf dem Bahnsteig anbot.
Das Einzige, was wir angeboten bekamen, war ein total überfüllter Zug, in dem die Luft nicht nur von Corona-verdächtigen Aerosolen, sondern auch von reichlich Achselschweiß erfüllt war. Und auf dem Bahnsteig blieben keine Bäckerburschen mit leeren Tabletts zurück, sondern Radfahrer, die nicht in den Zug gekommen sind. Ein Hoch auf die Deutsche Bahn!

Via Imperii - Groß-Ziethen - Eberswalde