Unterwegs auf dem Camino Francés / Finisterre
Von Burgos nach Hontanas

Tag 13 (Di, 10.5.2022) – Von Burgos nach Hontanas

Ich habe es geschafft. Von Burgos nach Hontanas, 32 km bei zuletzt 28 Grad durch die Meseta, die man auch „grüne Wüste“ nennen kann. Das war schon eine Herausforderung, aber nicht ganz so schlimm wie in manchen Reiseführern dargestellt. Und vor dem Psycho-Koller, vor dem gewarnt wird, bin ich verschont geblieben. Ostbrandenburg ist da ein gutes Trainingsgebiet. Da gibt es auch Stecken, wo es außer Grün am Boden nichts gibt. Und da ist man mit Sicherheit sehr allein, hier traf das für mich nur auf den letzten Kilometern zu.

Rückblende: Gestern Abend war ich mit Ralf und Tina essen, in einer Gaststätte in Burgos, die uns andere empfohlen hatten. Wir hatten verschiedene Gerichte: Ralf Rippchen, Tina Champignons mit 5 Käsesorten nebst Pommes und ich Hühnerbrust mit diversen Zutaten. Ausschlaggebend war das Wort „Gulas“ auf der englischen Speisekarte, das wir aber nicht im Wörterbuch gefunden haben. Da wir in dem gelieferten (gut aussehenden und hervorragen schmeckenden) Produkt nichts gefunden haben, was mit Gulasch zu tun hat, haben wir entschieden, dass „Gulas“ die ein paar Zentimeter langen Würmchen im Salat sind, von denen keiner wusste, ob die Tier oder Pflanze sind.

Beim Gespräch erfuhr ich, dass Ralf (jetzt 46) Anfang der 1990er Jahre zu seinen 1985 ausgereisten Großeltern an den Bodensee gezogen ist, weil er im Dresden keine Lehrstelle gefunden hat. Er hat dort Bäcker gelernt und arbeitet jetzt in einer Firma, die Bäckereibedarf (Mehl usw.) vertreibt. Tina (34) stammt aus Thüringen und kam nach Berlin, weil für den Flughafen BER Zollbeamte gesucht wurden. Bekanntlich hat sich die Flughafeneröffnung um ein paar Tage verzögert. Sie war derweil beim SXF und ist jetzt in einem mobilen Zoll-Team, das u.a. auf der B158 aus Polen kommende Schmuggler aus dem Verkehr zieht.

Heute früh bin ich etwa halb sieben los. Der Weg aus der Stadt hinaus führte vorbei an Resten einer Stadtmauer und durch eine große Parkanlage, die alles zum Grillen bot. An deren Ende folgten die Pilger ohne Nachzudenken den in Reiseführern ausgewiesenen Touren. So sind viele am Ende der Parkanlage an dem dort befindlichen Kloster vorbei­gelaufen, das jetzt zur Uni Burgos gehört und sehr sehenswert ist.

Der Weg führte über ein großes Autobahnkreuz zum Vorort Tardajos, wo man nochmal etwas zu sich nehmen oder Proviant fassen konnte. Im Nachbarort, Rabe de las Calzadas überraschten uns bunt bemalte Häusergiebel mit Motiven, die sich auf das Pilgern bezogen. In einer kleinen Marien-Kapelle begrüßte eine alte Dame alle Eintretenden möglichst in ihrer Landessprache, gab ihnen den Pilgersegen und verteilte Bändchen mit einem kleinen Medaillon. Eine nette Geste!

Dann begann der Aufstieg in die Meseta, einen Hochplateau, das man gut auch als grüne Wüste bezeichnen kann, weil es dort außer endlosen, jetzt meist mit Weizen bestellten Feldern nichts zu sehen gibt. Der Weg auf das Plateau und dann oben immer geradeaus war nicht leicht, aber da man laufend Leute vor und hinter sich hatte, musste man nicht viel auf die Umgebung achten. Da gab es die Möglichkeit, mit Philippe aus São Paulo in Brasilen oder einem Paar aus Tschechien zu plaudern, oder dem Schweizer Mädel, das von Ort zu Ort hinkt. Sie heißt Agnes und will es bis zum 29. Mai nach Santiago schaffen, wo sie sich mit ihrem Mann trifft.

Noch vor dem Aufstieg traf ich Rachelle, eine etwa 60jährige drahtige Frau aus Quimper in der Bretagne. Sie ist unterwegs auf den knapp 2000 km vom Kap Finistère in der Bretagne zum Kap Finisterre hinter Santiago, also von einem Ende der Welt zum anderen.

Auf dem Plateau hat man bis Hornillos del Camino nicht viel von der Besonderheit des Weges mitbekommen, mal abgesehen von der Hitze. Als mir die Sonne in den Nacken brannte, habe ich mich erinnert, dass ich am Tag zuvor zwei Unterhosen gewaschen habe, die über Nacht nicht trocken geworden waren. Ich hatte sie über die Kante des unbenutzten Über-mir-Bettes gehängt. Immer wenn sie halbwegs abgetropft waren, verloren sie Halt und fielen runter - in die Pfütze. So eine Art Perpetuum mobile der Schlüpfer. Die musste ich also halb nass einpacken. In der großen Hitze kam ich auf die Idee, mir diese nacheinander als Nackenschutz unters Mützenband zu klemmen. Das ging hervorragend. Für eine Weile kühlten die Schlüpfer sehr gut und danach taugten sie immer noch als Sonnenschutz. Ob das wirklich elegant aussah, kann ich nicht beurteilen. Das müssen die hinter mir gehenden machen. Im Selfie sah ich zumindest so aus, wie ich mir als Kind immer Karl May‘s Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah vorgestellt habe. Der Schlüpfertrick funktioniert übrigens nur richtig mit Boxershirts. String-Tangas hinterlassen nur einen Strich in der Bräunung.

In Hornillos del Camino, ca. 17 km hinter Burgos trennte sich die Spreu vom Weizen. Die Mehrheit hat es vorgezogen, dort um 14 Uhr den Feierabend einzuläuten. Mir war das zu früh, ich wollte noch bis in den nächsten Ort, aber der war 13,5 km bzw. 2,5 Std. entfernt. Ich hab mich gegen meinen Schweinehund durchgesetzt und habe die Meseta auf diesem Stück ohne jeden Menschen erlebt. Nur zwei Radlergruppen haben mich überholt. Das war schon sehr eindrucksvoll. Auf dem Plateau gibt es nichts - und davon sehr viel. Die Eindrücke auf diesem Weg kann ich heute nicht mehr „zu Papier bringen“, aber morgen geht es wohl ähnlich weiter.

Camino Francés / Finisterre - Tag 13