Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela
Tag 6 (Sa, 2.3.2024) El Real de la Jara - Monesterio / 20,5 km
Da es in Real de la Jara bei der 2er-Belegung der Herberge geblieben ist und wir beide jeweils ein eigenes Zimmer hatten, konnte ich heute früh in aller Ruhe bei voller Beleuchtung packen, ohne jemanden zu stören. Ich habe noch ordentlich gefrühstückt und mich um Dreiviertel acht (das ist hier noch vor dem Sonnenaufgang) auf den Weg gemacht. Martin ist da gerade erst aus dem Bett gekrochen, aber da der viel längere Beine hat, war ich mir sicher, dass er mich trotz seines 20-Kilo-Rucksacks einholen wird.
Kurz hinter dem Ort habe ich Andalusien verlassen und die Extremadura betreten. Als ich vor Jahren zum ersten Mal diesen Namen gehört habe, konnte ich mir nicht vorstellen, dass dies ein Gebiet zum Wandern ist. Das „Extrem“ im Namen suggeriert da was Anderes. Im Sommer ist es wohl wirklich ziemlich heiß, aber dafür ist es in dieser Jahreszeit kalt und nach Meinung von Einheimischen viel kälter als in den letzten Jahren. Das ist im Freien gar nicht so schlimm, weil einem ja durch die Bewegung warm wird, aber in den Herbergen ist die Kälte doch sehr gewöhnungsbedürftig.
Die erste Sehenswürdigkeit am Wege stand gleich hinter der Grenze: die Burgruine, die ich gestern von der Burg in Real de la Jara aus gesehen habe. Dass dazwischen die Grenze verläuft, erklärt wohl, dass hier so dicht beieinander zwei Burgen gebaut wurden. Beide hatten den Zweck, die an ihnen vorbeilaufende „Silberstraße“ zu bewachen, womit sich sicher gutes Geld verdienen ließ. Dass diese Burg schon so verfallen ist, freut ganz bestimmt die Störche oben auf den Zinnen, weil sie anderswo vertrieben werden, um das Mauerwerk zu schützen. Auf einigen Türmen sieht man hier Stahlstacheln, die wie auf unseren Bahn­höfen verhindern sollen, dass Vögel dort nisten.
Die erste Hälfte der Strecke führte wieder ununterbrochen durch Dehesas, also die locker mit Korkeichen bestandenen Wiesen, auf denen Tiere weiden. Heute waren das ausschließlich Schweine und Schafe. Die schwarzen Schweine kann man aber kaum fotografieren, da sie so scheu sind. Selbst wenn man fünfzig Meter entfernt vorbei läuft, recken alle die Köpfe und wenn ein Schwein losrennt, rennen alle hinterher. Und weil die nicht so fett sind wie unsere Hausschweine, sind sie dann auch ganz schnell verschwunden. Die haben alle Angst, dass man ihren Iberischen Schinken haben will. Anders ist es, wenn der Bauer (dem es wirklich um den Schinken geht) mit seinem Auto kommt. Dem gehen sie nicht mal aus dem Weg. Eine große Schafherde, die hinter einem Zaun weidete, war von drei Hütehunden bewacht, die beim Näherkommen aufsprangen und, ohne einen Laut von sich zu geben, am Zaun Aufstellung nahmen. Ein guter Wachhund bellt halt nicht.
Wie schon an den Tagen zuvor fehlt es auf dem Weg durch die Korkeichenhaine zwar an echter Abwechslung, aber wenn man den Blick schärft für die verschiedenen Baumformen, die ins Gelände gefressenen Wassergräben, die Steinmäuerchen und die Hügel ringsum, dann entdeckt man doch immer wieder Neues. Auf der Hälfte der Strecke stößt der Weg auf eine Autobahnauffahrt, wo sich verschiedene Betriebe, Geschäfte, ein Hotel und ein großer Rastplatz angesiedelt haben. Da hätte man Essen und sich mit Getränken und ähnlichem eindecken können. Das hatte ich leider beim Abmarsch nicht auf dem Schirm und mich wieder mit belegten Brötchen und viel zu viel Wasser eingedeckt. Darum habe ich mir nur in einem der überteuerten Läden eine Tüte Chips gekauft, um mal einen anderen Geschmack auf der Zunge zu haben. Als ich wieder raus kam, nieselte es leider etwas, obwohl erst für den späten Nachmittag Regen angesagt war. Was da runter kam, hielt sich aber in Grenzen.
Ab hier ging der Weg zwischen einer Autobahn und einer Landstraße, die lange Zeit parallel verlaufen. Das war aber nicht so schlimm, wie sich das anhört. Man hat dort einen Trampelpfad im Grünen angelegt. Aber da tagsüber auf der Landstraße nicht viel los ist, läuft man besser dort auf dem breiten, glatten Randstreifen. Auf dem Stück hat mich Martin ein- und überholt, außerdem zwei Spanier, die schon mal an mir vorübergezogen waren. Auf den letzten Kilometern vor Monesterio war dann wie erwartet nochmal eine Strapaze angesagt, weil der Weg dort ziemlich steil auf einen Kamm führte. Inzwischen hatte es etwas kräftiger zu regnen angefangen, zum Glück mehr hinter mir als vor mir.
Um halb drei war ich an der Pilgerherberge Monesterio, gerade noch rechtzeitig, bevor der Regen richtig losging. Die war zwar verschlossen, aber an der Tür hing ein Schild, dass der Hospitalero, Miguel Ángel, nebenan wohnt. Da habe ich geklingelt und den guten Mann, der etwa Mitte vierzig ist, beim Essen hochgeschreckt. Der hat mir trotzdem aufgeschlossen und kam dann eine viertel Stunde später nochmal, um die Formalitäten zu erledigen und alles zu erklären. Danach wollte er sich wieder dem spanischen Volkssport widmen: Siesta. Es ist übrigens eine kirchliche Herberge (Albergue parroquial) und prompt die erste, in der Bier im Kühlschrank stand!
Angetroffen habe ich da die beiden Australierinnen aus der ersten Herberge und die beiden Spanier, die mich am Tag überholt haben. Wenig später kam Martin, der erst bei einer anderen Herberge war, die im Winter aber freitags und sonnabends geschlossen hat. In jener großen 48-Mann-Herberge wäre er vermutlich der einzige gewesen, denn auch unsere kleine ist nicht voll geworden. Hier gibt es drei Zimmer mit vier bzw. sechs Betten und die drei vertretenen Nationalitäten sind sortenrein auf diese verteilt worden. Es gibt zweimal Klo mit Dusche und eine sehr komfortabel eingerichtete Küche, wo auch jede Menge Koch­zutaten und haltbare Lebensmittel rumstehen. Außerdem gibt es mal ausreichend Geschirr und Besteck. Und alles ist sehr sauber. Das Putzen übernimmt der Hospitalero selbst - und hat schon angekündigt, dass er morgen um halb acht kommt, um seines Amtes zu walten. Ob der noch einen zweiten Job hat, weiß ich nicht, denn von dem, was die max. 14 Pilger einbringen, kann er wohl kaum leben. An der Wand hängt ein Zettel, auf dem aufgeschlüsselt ist, wie die 10 € Übernachtungsgebühr verwendet werden: 3 € für die Reinigung (also vermutlich für ihn), 2 € für Strom und Wasser und 5 € für die Kredit-Tilgung, da die Herberge über eine Bank finanziert wurde.
Leider ist diese Herberge wie die meisten anderen nicht geheizt und es ist lausig kalt. Alle sitzen mit Anoraks und manche sogar mit Mützen herum oder haben sich in den wärmenden Schlafsack verkrochen. Das habe ich in Anbetracht des Regens auch gemacht, nachdem ich mir ein Süppchen eingeflößt habe, das ich am Abend zuvor nicht kochen konnte, weil ich den Propangaskocher nicht anbekommen habe. Da war die Flasche zugedreht und ich wollte nicht am unbekannten Verschluss hantieren, weil mich das vielleicht das Dach über dem Kopf gekostet hätte. Etwa um sieben hatte endlich der Regen aufgehört - zu spät, um noch einen Stadtbummel zu machen, aber zeitig genug, um einkaufen zu gehen. Um mal etwas Abwechslung in den Speiseplan zu bringen, habe ich Bratpaprika mitgenommen und auf der Pfanne „Piementos Padrón“ gemacht. Als Brotaufstrich gab es wie gestern eine leckere Paste vom Iberischen Schwein. Das ist schon was anderes als unsere Leberwurst.

Via de la Plata - Tag 6