Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela
Tag 8 (Mo, 4.3.2024) Calzadilla de los Barros - Zafra / 22,8 km
Die letzte Nacht lässt sich nicht lobend hervorheben, was aber zum Teil meine Schuld war. Ich habe mich nämlich in Anbetracht der bereitgestellten Bettwäsche dazu verleiten lassen, den Schlafsack im Rucksack zu lassen und über mir Betttuch, Wolldecke, Tagesdecke, und weil das nicht gereicht hat, noch eine weitere Wolldecke aufzutürmen. Dann ging es eigentlich von der Temperatur, nur die Eisfüße wollten nicht auftauen, weshalb ich mir im Bett Socken anziehen musste, was ich gar nicht mag. Nun ließ sich das von der Temperatur her aushalten - man durfte sich halt nur nicht groß bewegen, um den Deckenturm nicht ins Wanken zu bringen. Leider war mein Bett so durchgelegen, dass mir auf der Seite liegend bald das Kreuz wehtat. Also auf die andere Seite drehen! Und schon bewegte sich der Deckenstapel wie eine Lawine auf Talfahrt. Die glatte Tagesdecke war schuld. Im Dunkeln ließ sich das aber nicht umsortieren. Nach dem nächtlichen Toilettengang war ganz aus, da musste ich den Stapel neu konstruieren. Zum Glück schlafe ich auf dem Camino nach solchen Aktionen immer wieder schnell ein, weil der Körper wegen der Strapazen am Tage großes Verlangen nach Schlaf hat.
Um sieben bin ich aufgestanden, hab' in aller Ruhe gepackt, gefrühstückt und mich auf den Weg gemacht. Die beiden Spanier sind da schon über eine Stunde weg gewesen - die machen sich morgens aber auch nicht die Mühe, ihre Betten abzuziehen und das Geschirr abzuwaschen. Kurz vor mir sind auch die beiden Deutschen weg, die ich erst morgens wahrgenommen habe, weil sie im anderen Schlafsaal waren: Andreas und Bastian aus Augsburg. Andreas wusste sogar was mit Ahrensfelde anzufangen, weil er mal eine Freundin in Friedrichshain hatte und daher wusste, dass dies eine S-Bahn-Endstation ist. Die beiden wollten heute ein ordentliches Stück laufen, die werde ich vermutlich nicht nochmal treffen. Martin und die beiden Italiener kamen gerade aus dem Bett, als ich mich auf den Weg machte.
Da die Waschmaschinennutzung in der gestrigen Herberge umsonst war, habe ich ein T-Shirt, Schlüppis und Socken durch ein Schnellprogramm gejagt und dann im Schlafraum auf die Bettgestelle verteilt. Die Sachen waren natürlich heute früh noch nicht ganz trocken. Ich habe sie deshalb absturzsicher an meinem Rucksack befestigt und auf Lufttrocknung im frischen Wind gehofft. Daraus wurde aber nichts, denn als ich aus der Herberge trat, stand ich im Sprühregen. Da für heute Bewölkung und kein Regen angesagt war, habe ich das für einen Ausrutscher gehalten und bin einfach losgelaufen. Bald wurde aber aus dem Sprüh- ein starker Nieselregen und ich musste meinen Poncho rausholen. Unter dem war natürlich nichts mehr mit Lufttrocknung.
Der Regen hielt zwar bis zum Mittag an, war aber auszuhalten. Schlimm waren nur die aufgeweichten Wege. Heute ging es den ganzen Tag fast ausschließlich über Feldwege verschiedener Beschaffenheit. Auf den ersten Kilometern war der Boden lehmartig und total aufgeweicht. Da war das Laufen eine echte Schlitterpartie und die Schuhe und die Hose waren bald völlig eingesaut. In den Fahrrinnen stand das Wasser, das nicht versickern konnte, und man musste um die Pfützen herum tänzeln, meist durchs hohe Gras. Da waren Schuhe und Hose ganz schnell auch noch nass.
Auf dem Weg gab es wieder ein paar Furten, in denen das Wasser knöchelhoch stand. Da haben zwar Leute Steine aufgereiht, auf denen man balancieren soll. Aber sowas gelingt mir nicht. Und bevor ich auf den oft runden, wackligen Steinen ausrutsche und mir was tue oder ins Wasser falle und dann wieder ein Smartphone-Problem habe, bin ich irgendwann einfach furchtlos durchs Wasser gelaufen. Die Schuhe waren da natürlich sofort voll Wasser, aber das ist nach einer Weile auf gleichem Wege auch wieder verschwunden.
Unterwegs habe ich ziemlichen Knast geschoben, da ich fürs Frühstück nur noch eine Scheibe Brot übrig hatte und auch bei Martin nichts zu holen war. Ich wollte heute früh aber auch nicht zurück in den Ort zum Bäcker laufen, der vielleicht noch gar nicht offen hat. Deshalb bin ich im ersten Ort, der nach gut 14 km kam (Puebla de Sancho Pérez), in die erste Bar rein. Die hatte zwar eine schöne Speisekarte, aber offenbar keinen Koch. Da bin ich zähneknirschend weiter und habe mir in einer Kneipe an Ortsrand vom nur Spanisch sprechenden Wirt ein Bocadillo mit den einzigen verfügbaren Zutaten, Schinken und Käse, machen lassen. Was da kam, war riesig und wollte anfangs gar nicht richtig rutschen. Aber da das offenbar ein allgemeines Problem ist, lag auf dem Tellerrand ein Portionsfläschlein Olivenöl. Damit ist das dicke Weißbrot richtig gut durch den Gaumen gerutscht.
Eine dreiviertel Stunde später war ich in Zafra, einer etwas größeren Stadt mit einigen Sehenswürdigkeiten und diversen Herbergen. Aber um diese Zeit war mir noch nicht nach Aufhören. Ich habe ja gestern schon etwa 6 km auf der für heute geplanten Etappe von Fuente de Cantos nach Zafra absolviert, da bot es sich an, heute auch noch ein Stück weiter zu laufen.
Ich bin also ohne großen Aufenthalt durch Zafra durch und weiter ins ca. 5 km entfernte Los Santos de Maimona. Da gibt es eine Pilgerherberge, die lt. Gronze-Webseite 12, laut App sogar nur 6 Betten hat. Ich bin deshalb sofort hin, um noch ein Bett abzubekommen - stand dann aber vor verschlossener Tür, an der geschrieben war, dass man im Touristenbüro (Oficina de Turismo) oder bei der Polizei (Policia Local) einchecken soll. Ich bin also zurück (natürlich bergauf) zum Platz neben der Kirche, wo das Touristenbüro sein soll. Ein solches war jedoch nirgendwo ausgeschildert, also bin ich in ein ehrwürdiges, mit Fahnen geschmücktes Haus rein und habe dort wirklich am Ende des Gangs eine Dame angetroffen, die mir im Tausch gegen 7 € Übernachtungsgebühr den Code für die Eingangstür der Herberge verraten hat. Vorbei an diversen, wegen Siesta noch bis 17 Uhr geschlossenen Kneipen und Geschäften bin ich wieder zur Herberge und habe mir da mit dem Zahlencode Zugang verschafft.
Es handelt sich um einen mitten auf einem Platz stehenden, ummauerten und mit Grünzeug bepflanzten Hof, an dessen Stirnseiten je ein eingeschossiges, modernes Haus steht. In einem sind zwei Schlafräume mit je drei Doppel-stockbetten und jeweils Dusche/WC, im anderen Haus ist ein Speise- bzw. Aufenthaltsraum mit Küche und Sitzecke. Alles zwar nicht übermäßig gemütlich, aber neu und sauber. Und, was das allerbeste ist: beheizbar! Neben jedem Haus steht eine Wärmepumpe und innen ist ein Tableau, auf dem man seine Wunschtemperatur einstellen kann. Kaum hat man auf „Start“ gedrückt, kommt schon warme Luft aus Wand- bzw. Deckenöffnungen. Da habe ich mir doch prompt 23 Grad gewünscht. Um sicher zu gehen, dass mir wirklich mollig warm ist, hat die Anlage (so glaube ich) sogar noch etwas raufgelegt. Wenn das meine Wanderkollegen wüssten, die entweder wieder in einer kalten Behausung sind oder wie Oscar und Claudia draußen zelten! Ich bin nämlich in dieser Herberge ganz allein geblieben. Obwohl sie direkt am Weg liegt und in den Herbergsverzeichnissen steht. Schade. Ein bisschen Unterhaltung hätte ich mir schon gewünscht. Aber ich werde mich auch allein nicht gruseln. Auf den 400 km von Leipzig nach Nürnberg war ich immer allein in den Unterkünften.

Via de la Plata - Tag 8