Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela
Tag 10 (Mi, 6.3.2024) Villafranca de los Barros - Torremejia / 27,5 km
Heute ging es 27 Kilometer von Villafranca de Los Barros nach Torremejia. Davon verliefen 12 km schnurgeradeaus, zum Glück ohne große Steigungen und auf einem gut begehbaren Weg mit glattgewalztem Schotter. Nicht weit hinter Villafranca stand am Wegesrand ein Zelt und daneben war ein Rollstuhl geparkt: meine Italiener. Ich habe nur ein „Good Morning“ in diese Richtung gerufen und schon schaute Claudias Kopf aus dem Zelt und gleich hinterher der von Oscar. Wir haben uns herzlich zugewinkt und ich habe schnell noch einen Schnappschuss gemacht. Die beiden haben mir dann nur noch zu verstehen gegeben, dass es in der Nacht wohl ziemlich kalt war. Die Wetter-App hatte für die Nacht zwei Grad angesagt. Und mehr gab es wohl nicht.
Auf der Hälfte des Weges, wo die Straße nach Almendralejo den Weg kreuzt, ist ein kleiner Rastplatz. An dem habe ich das dänische Paar, Jan und Hanne, wiedergetroffen. Die beiden hatte ich eigentlich hinter mir vermutet, da sie zwar 20…30 Minuten vor mir aus der Herberge sind, aber noch in einer Bar frühstücken wollten. Damit müssen sie sich sehr beeilt haben. Kaum waren die Dänen weg, kamen die beiden Augsburger und studierten die neben der steinernen Sitzgruppe aufgestellte Info-Tafel zu diesem Abschnitt der Via de la Plata. Auf der waren auch mal die gelben und grünen Kacheln erklärt, die einzeln oder zusammen an den als Wegweiser dienenden Granitquadern mit der Muschel angebracht sind. Gelb heißt, dass es ein passabler Weg ist, Grün besagt, dass es sich um eine alte Römerstraße handelt. Die Kombination beider Farben steht folglich an einer passablen Römerstraße. Und diese Kombination ist fast überall zu finden. Es ist schon ein tolles Gefühl, auf einer Straße zu laufen, auf der vor zweitausend Jahren die Römer gezogen sind. Und da vor denen hier wohl kaum einer gesiedelt hat, brauchten sie sich nicht nach irgendwelchen Orten richten, sondern konnten ihre Straßen ohne jede Kurve ins Gelände legen, wenn nicht gerade Seen oder Berge im Wege lagen. Je gerader die Straße, desto schneller kamen die Truppen bzw. die Silbertransporte voran. Schade, dass Pepe, der Experte für die römische Historie seiner Heimat, nicht dabei war. Der hätte mit Zahlen aufwarten und ohne jede Vokabel zu benutzen, den schnellen Ritt der römischen Postboten und den häufigen Pferdewechsel vorführen können. Was haben wir schon gelacht, wenn er den reitenden Correo gemimt hat.
Ein Stück weiter traf ich auf einen kräftigen, ganz schrecklich humpelnden Mann, der sich gerade auf einem Mäuerchen zur Pause niederließ. Wir haben nur kurz ein paar Worte gewechselt, wobei ich erfahren habe, dass er Chris heißt und aus den USA kommt. Das Angebot, mich zu ihm zu setzen, habe ich ausgeschlagen, da ich ja gerade nach einer Pause wieder aufgebrochen war. Später, am Ziel, habe ich ihn in der Kneipe unter unserer Herberge wiedergetroffen. Da hat er erzählt, dass er aus New Mexico stammt, aus der Gegend um El Paso, wo viele deutsche Militär-Flieger leben und ihre Übungsflüge absolvieren. Er selbst war bis vor sieben Jahren auch bei der Army und sogar mal für fünf Jahre in Würzburg stationiert. Jetzt ist er pensioniert und läuft diverse Pilgerwege ab. Auf der Via de la Plata ist er schon zum zweiten Mal unterwegs. Sein Humpeln hat keine Blasen als Ursache, sondern dass er Ende der 90er mal zu früh aus einem Hubschrauber gesprungen ist und später noch auf dem Fahrrad von einem Auto angefahren wurde. Und vor 20 Jahren ist er im Irak „in die Luft gebombt“ worden. Nun läuft er den Camino auch für jene Kameraden, die ihn nicht mehr gehen können.
Unterwegs habe ich schon mal meine Pilger-App bzw. die Webseite nach Unterkünften in Torremejia befragt. Da gibt es ein sehr schlecht bewertetes Hotel, in der man für 15 € ein Einzelbett in einem Schlafsaal bekommt und eine nicht viel besser bewertete Herberge, in der man 20 € für ein Etagenbett bezahlt. Da dort von den 12 Betten lt. booking.com nur noch 6 verfügbar waren, hieße das oben schlafen. Also bin ich zu der billigen Absteige und siehe da: für die 15 € habe ich sogar ein Einzelzimmer bekommen. Zwar nicht sehr gemütlich, aber ordentlich und mit einem brauchbaren Bett samt Bettwäsche versehen. Das ebenfalls ordentliche Bad muss ich mir nur mit zwei Nachbarzimmern teilen. Und dank eines Heizstrahlers, der bei uns nicht mehr durch den TÜV gekommen wäre, ist es kuschelig warm. Ich trau mich nur nicht, das Ding nachts eingeschaltet zu lassen. Da an der Etage, in der ich mein Zimmer habe, „privat“ steht und angeblich das „ready“ anzeigende Karten-Lesegerät nicht ging und deshalb Barzahlung nötig war, bekommt bestimmt der spanische Finanzminister nichts von meinen 15 € ab. Er wird es verkraften. Verkraften wird es auch der Wirt unten in der Kneipe, dem ich den Euro wieder runtergehandelt habe, den er bei der Rechnung aufgeschlagen hat. Der hatte das Pech, dass seine Frau, bei der ich am Nachmittag ein Bier geordert hatte, ehrlicher war und ich damit den Preis wusste. Es ist mir eigentlich auf meinem Caminos sehr selten passiert (oder aufgefallen), dass ich besch… wurde. Jetzt aber in einer Woche schon zum zweiten Mal. Böse!
Nachdem ich mein Zimmer bezogen hatte, habe ich unten in der Kneipe mit Chris geschwatzt und bin um fünf in den benachbarten „Spar“, um mir Belag für meine letzten Toastbrotstullen und Salat nebst Zutaten zu holen. Damit habe ich dann auf dem Zimmer mein Mittagessen nachgeholt. Fürs Abendessen und das Frühstück wollte ich mir später neues Brot holen, um möglichst nichts vom Brotaufstrich rumschleppen zu müssen. Nach dieser Essensrunde habe ich noch etwas Siesta gemacht, meinen ersten Bericht geschrieben und ewig an der Rezeption gesessen (weil nur dort WLAN funktioniert), um die Bilder wegzuschicken. Kurz vor acht bin ich dann zu einem kleinen, ernüchternden Stadt­bummel gestartet. Zwanzig Minuten später war ich damit fertig - und der „Spar“ war inzwischen zu! Statt wie üblich bis um neun hatte der ausnahmsweise nur bis acht offen. Nun habe ich nochmal eine Runde gedreht, um irgendwo Brot aufzutreiben. In meiner Verlegen­heit habe ich auch im einzigen noch offenen Geschäft, einem Süßigkeitenladen, nach Brot gefragt. Und siehe da, das Mädel hat aus dem Regal ein Toastbrot geholt. Das ist zwar nicht genau das, was ich haben wollte, aber morgen steht wieder eine Etappe ohne jede Versorgungsmöglichkeit an. Da wollte ich doch gern eine geschmierte Stulle mitnehmen.
Als ich zurückkam, war die Kneipe randvoll. Wie ich von den Augsburgern erfahren habe, ist eine größere Zahl Pilger mit dem Bus aus Villafranca gekommen, weil dort eine große, angemeldete kanadische Pilgergruppe angekommen ist, die alle Betten im Ort belegt hat. Das kann einem auch passieren. Dadurch ist nur leider auf den nächsten Etappen die doppelte Anzahl Pilger unterwegs, weil ja das halbe Dutzend der im Bus Gekommenen dazu zählt. In der Kneipe habe ich auch die beiden Niederländerinnen wiedergetroffen, denen ich vor ein paar Tagen schon mal begegnet war. Da sie sich zu viel zum Abendbrot bestellt gatten, haben sie mir einen kaum angerührten Teller Pommes rübergeschoben, bevor sie gegangen sind.
Ab neun war dann für mich ganz unerwartet das Champions-League-Spiel von Real Madrid gegen RB Leipzig auf dem Kneipenfernseher zu sehen. Zuhause kam das nur auf einem Bezahlsender. Nun bin ich kein großer Fußball-Fan, aber bei einem solchen Spiel als Deutscher unter Spaniern zu sitzen, fand ich ganz amüsant. Obwohl das ein gutes Spiel (und Leipzig eindeutig besser) war, leerte sich nach und nach der Saal. Als zur Halbzeit beim Stand von 0:0 der letzte Gast außer mir ging und die Wirtsleute zu putzen anfingen, habe auch ich mich verabschiedet. Wie Google berichtet, ist das Spiel 1:1 zu Ende gegangen. Da die Leipziger das Hinspiel verloren hatten, sind sie jetzt raus. Schade. Aber nun muss man hier wenigstens keine Angst vor den Real-Madrid-Fans haben.

Via de la Plata - Tag 10