Tag 20 (Di, 31.10.2023) Labruja - Valença / 27,9 km
Ich glaube, Petrus ist sauer, dass ich nicht nach Rom, sondern zu seinem Kollegen Jakobus nach Santiago pilgere. Eigentlich war erst für elf Regen angesagt, aber er begann schon kurz nachdem ich um halb acht aus dem Haus getreten bin. Es ist heute ein Dauerregen, der gegenüber den Regengüssen der Vortage nur den Vorteil hat, dass es ein paar Minuten länger dauert, bis man durchnässt ist. Da hat man schnell das Verlangen, irgendwo anzukommen und die nassen Sachen loszuwerden. Und dann? Dann sitzt man frierend in der Unterkunft und verkriecht sich schnell an den einzigen warmen Ort, nämlich ins Bett. Da bin ich gestern Abend halb sieben verschwunden und heute früh erst um halb sieben wieder rausgekrochen. Zwölf Stunden warm und trocken! Dabei war das Wetter gestern gar nicht so schlecht. Der Nachmittag war halbwegs trocken und gelegentlich kam sogar die Sonne raus. Aber überall war die Feuchtigkeit zu spüren und ich habe mein Smartphone die meiste Zeit in einem Gefrierbeutel mit Reiskörnern, die ich mir zwischenzeitlich besorgt hatte, versteckt. Da blieben wieder viele interessante Dinge unfotografiert.
Ich bin heute ein paar Minuten vor fünf in Valença, kurz vor der Grenze zu Spanien, angekommen. In der hiesigen, geheizten (!) 8€-Herberge habe ich im Schafsaal mit 11 Doppel­stockbetten das vorletzte Bett im Unterdeck bekommen. Auf dem letzten Stück sind doch ein paar mehr Pilger unterwegs, als weiter weg. In dieser Herberge gibt es wieder keine Einmalbettbezüge, aber ich habe mir für solche Fälle in der Herberge von Barcelos meinen Bezug mitgenommen, statt ihn in den Papierkorb zu stampfen. Nun brauche ich mich nicht mehr davor zu gruseln, dass nachts die Arme auf der Gummimatratze landen. Ich habe das Bett auch gleich mal ausprobiert und hatte dabei ein Erlebnis der besonderen Art. Ich hatte mich kaum hingelegt, da rollt auch schon mein Kleingeld aus der Hosentasche auf den Boden - genau deshalb zahle ich immer mit der Karte, wenn das möglich ist. Ich bin also raus aus dem Bett und hab mich hingekniet, um die Münzen wieder einzusammeln. Da kommt doch aus der gegenüber liegenden Zimmerecke ein junges Mädel herbeigeeilt und hilft mir nicht nur beim Sammeln, sondern auch noch beim Aufstehen! Wie klapprig muss ich denn aussehen, dass mir sowas passiert?! Oder hat das Mädel nur meine körperliche Nähe gesucht? Träumen darf man ja mal.
Nach einem kurzen Nachmittagsschläfchen habe ich mich in den nächstgelegenen Supermarkt, einen großen „Continente“, aufgemacht, um dort für das Abendbrot und fürs Frühstück einzukaufen. Ich bin zwar alle Regale abgelaufen, weil mir das im Ausland immer Spaß macht, dann aber ganz einfallslos mit Schrippen, Wurst und Käse wieder raus. Ich hatte mir unlängst eine Schachtel Butter gekauft und die ist noch längst nicht alle. Da es mir Leid tut, den Rest wegzuwerfen, habe ich halt was gekauft, wofür man die Butter gebrauchen kann. Dazu ein Glas mit chinesischem Gemüse und was zu trinken - und schon ist das Überleben gesichert.
Morgen geht es über die Grenze nach Spanien und damit in eine andere Zeitzone - MEZ, wie wir sie zuhause haben. Heute hat schon bei der Ankunft in Valença die Uhr auf dem Smartphone mal die eine und mal die andere Zeit angezeigt, vermutlich je nachdem, ob das portugiesische oder das spanische Funknetz stärker war. Wenn ich mal Osteuropa, Griechenland und Finnland weglasse, fällt mir in Europa keine zu Fuß überwindbare Grenze ein, bei der man die Uhr umstellen muss oder umgestellt bekommt.
Der heutige Tag ähnelte den gestrigen, nur dass es nicht so gutes Frühstück gab. Dafür bin ich aber auch nicht in den Schlamm gefallen. Der Frühstückstisch war heute mit Teller, Tasse und einer Banane gedeckt, den Rest musste man sich aus dem Brotkasten bzw. aus dem Kühlschrank nehmen. Gläser mit Instant-Kaffee und Schachteln mit Teebeuteln standen auch da. Bis auf Käse und Wurst (was ich selbst dabei hatte) fehlte also nichts. Aber es war halt wie der Empfang am Abend sehr unpersönlich und der krasse Gegensatz zu dem, was ich bei der vorherigen Übernachtung erlebt habe. Der eine vermietet halt, weil sich damit nebenbei eine schnelle Mark (Euro) machen lässt, der andere, weil es ihm Freude macht, Gäste zu bewirten.
Der Regen hat zum Glück mittags im Wesentlichen aufgehört, aber weit wegpacken durfte man das Regencape nicht, weil immer mal kurze Schauer runterkamen. Bei den vielen dicken, schwarzen Wolken, die unterwegs waren, ist es ein Wunder, dass nicht mehr Regen fiel. Ich bin heute wieder fast ausschließlich auf der Straße gelaufen, denn soweit ich den mehrmals die Straße kreuzenden Camino einsehen konnte, gab es da vorwiegend übles Pflaster und riesige Pfützen. Monika, eine Deutsche, die ich schon in der Klosterherberge getroffen hatte, hat vorhin erzählt, dass sie samt Schuhen und ihr Begleiter barfuß durch eine mehr als knöcheltiefe Pfütze sind und an anderer Stelle einen riesigen Umweg nehmen mussten. Das muss ich nicht haben. Ich komme gern nochmal bei Sonnenschein und mit intakten Fuß wieder, um den ganzen ausgeschilderten Weg abzulaufen. Aber momentan tut man wohl gut daran, die Straße zu nehmen. Man sieht vermutlich auch mehr. Als Straßen­benutzer bin ich heute zum Beispiel durch São Bento (Hl. Benedikt) gekommen, was mir sonst entgangen wäre. Da musste ich doch gleich einkehren, natürlich nur, um mir einen Stempel zu holen. Damit das nicht so doof aussieht, weil man nichts verzehrt, habe ich mir am Tresen zwei mit Fleisch gefüllte Teigtaschen, ein Schinken-Käse-Croissant und ein Bier für zusammen 5,20€ geben lassen. Das ist mir mein Namenspatron wert! In einem Dorf habe ich mal in der Apotheke nach Voltaren gefragt und eine mittlere Tube für 18€ angeboten bekommen. Hier in der Apotheke, die zum Continente-Markt gehört, wollten sie nur die Hälfte davon haben und davon nochmal die Hälfte (4,50€ für 100g) kostete es als Generika einer portugiesischen Firma. Damit kann ich mir jetzt morgens und abends dick den schmerzenden Fuß einreiben, damit der bis Santiago mitmacht.

Camino Portugues Central - Tag 20