Es ist Mitte Oktober 2021. Heute will ich von Bernau nach Mühlenbeck laufen und in ein paar Tagen von Mühlenbeck nach Hennigsdorf. Ich werde den in Karten als Jakobsweg ausgewiesenen Weg nehmen, der in großen Bögen von der direkten Verbindung abweicht: vor Mühlenbeck rechts über Schloss Dammsmühle, hinter Mühlenbeck links über Tegel.
Den direkten Weg von Bernau nach Hennigsdorf, der gut als Tagestour zu schaffen ist, bin ich bereits 2020 gelaufen.
Ich starte in Bernau an der Ecke Oranienburger/Fichtestraße, dort wo der Jakobsweg entlang der Via Imperii von Stettin über Berlin nach Leipzig und die aus Frankfurt (Oder) kommende Nordroute des Jakobsweges aufeinander stoßen.
Es ist noch dunkel, aber der grüne Balken, dem ich zu folgen habe, ist zu erkennen. Die Jakobsmuschel gibt es hier nicht.
Vorbei am „Sportplatz am Wasserturm“ geht es in die Straße „Am Blumenhag“ und an deren Ende unter der Autobahn hindurch in die Mainstraße, die später zur Mittelstraße wird und sich durch Friedensthal und Schönow zieht.
An der Berliner Straße ist der Ortseingang von Zepernick. Es geht ein paar Meter nach rechts und dann in die Wandlitz­straße, womit ich wieder in Schönow bin. Nur der Kreuzungs­bereich gehört hier zu Zepernick und damit zu Panketal.
In der Wandlitzstraße kann man ein paar interessante Mehr­familienhäuser aus Holz bewundern, bevor man auf ein kleines Wäldchen trifft, hinter dem die Schönerlinder Straße liegt, auf der einige Wanderwege zusammentreffen.
Ich halte mich halb links in Richtung Hobrechtsfelder Speicher. Ab hier verläuft der Jakobsweg bis Schönow auf der alten Bernauer Heerstraße, welche die ehemaligen Rieselfelder rings um Hobrechtsfelde zerschneidet.
Der Weg ist gut befestigt und wird auch gern von Radfahrern benutzt, weshalb man dort nicht im Zickzack laufen sollte, auch wenn die herbstlich gefärbten Sträucher am Weg dazu verleiten. Manches bunte Blatt will da fotografiert werden.
Hinter der Hobrechtsfelder Chaussee sind beidseits des Weges betretbare Gehege, in denen Pferde und Rinder völlig frei herumlaufen dürfen. Dafür müssen sie da aber den Rasen „mähen“, das heißt, alles kurz halten.
Auf einer Info-Tafel wird das Konzept unter „Landschafts­gestaltung mit Biss“ erklärt.
Bei den Rindern darf man zwar ins Gehege, sollte sich aber beim Treff mit einem Bullen an die ausgehängten Verhaltensregeln halten.
Am Wegesrand ist viel Kunst zu sehen, mitunter steht der Name des Kunstwerks neben dem des Schöpfers auf einer Tafel, aber leider reicht der Titel oft nicht zur Deutung aus.
Bei manchen Objekten, wie zum Beispiel den silbernen, aus dem Boden ragenden Zylindern, versucht man vergeblich eine inhaltliche Deutung des vermeintlichen Kunstwerks.
Eine Info-Tafel zum Alten Bernauer Heerweg berichtet, dass dieser bereits seit der askanischen Besiedlung der Mark nachgewiesen ist und von Spandau über Bernau in Richtung Oder führte. Er ist einer der ältesten Wege unserer Region.
Es ist gut vorstellbar, dass dies einer der Wege war, auf denen die Pilger nach Santiago oder Wilsnack gezogen sind.
Der Weg führt ziemlich geradeaus durch Rieselfelder, die teilweise mit gespenstig wirkenden Bäumen bestanden sind.
In Schönerlinde stößt der Weg auf die Schönerlinder Straße, die von Süden kommend hier gen Westen abknickt. Die Straße bildet zwar im Dorf einen Anger, aber die Kirche steht dahinter. Sicher war der Straßenverlauf im Dorf mal anders.
Die Feldsteinkirche stammt als dem 14. Jahrhundert, das Dorf selbst wurde bereits 1242 erstmals erwähnt.
An der Ostseite der Kirche befindet sich eine Gedenktafel für den Kanonier Karl Friedrich Friesecke, der 1866 24jährig bei Kämpfen in Böhmen in der March bei Göding (heute Hodonin in Tschechien, nahe der slowakischen Grenze) ertrank.
Ein paar Meter davor steht eine Stele mit den Namen der im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten aus Schönerlinde.
Auf einem winzigen Friedhof an der Kirche sind Mitglieder einer Familie Schultze begraben, unter ihnen mindestens ein ehemaliger Lehngutsbesitzer. Mitten im Dorf gabelt sich die Berliner Allee (L 100): rechts führt die L 100 als Schönerlinder Chaussee weiter nach Schönwalde und geradeaus führt die Schönerlinder Chaussee nach Mühlenbeck.
Ich folge der Karte und biege ab in die nach Norden führende Schönerlinder Chaussee und nach 200 m wieder rechts in die Straße „Zum Friedhof“, die wie erwartet zum Friedhof führt.
Am Ende der Straße führen zwei Wege weiter. Ich nehme den linken, der parallel zur Landstraße zwischen Büschen, durch ein Wäldchen und am Feldrain entlang führt.
Nach etwa 1,5 km biegt der Weg nach links ab und trifft, nun entlang eines Grabens verlaufend, nahe dem Ortseingang auf die durch Schönwalde führende Hauptstraße (L 100).
Man kann die Hauptstraße nicht unbedingt als Flaniermeile bezeichnen, auch wenn da eine Pizzeria ist, aber alles sieht recht ordentlich aus und die breiten Freiflächen auf beiden Seiten der Straße sind gepflegt. Fürs Laub kann keiner was.
Mitten im Dorf trifft die von Süd nach Nord verlaufende Haupt­straße (L 100) auf den Bernauer Damm (L 30).
Im Kreuzungsbereich steht die aus dem Jahre 1844 stam­mende Dorfkirche, die auf Entwürfe von Schinkel zurückgeht. Die verputzte, turmlose Kirche (oben Mitte) könnte man auch für den Tanzsaal einer verschwundenen Gaststätte halten.
Was gegenüber die typischen Konturen einer Kirche aufweist, ist hingegen die Feuerwache mit ihrem Schlauchturm.
An der Kreuzung steht außerdem die Büste des Alten Fritz, der 1753 Schönwalde als Kolonistendorf gegründet hat.
Jenseits der Hauptstraße heißt die L 30 Mühlenbecker Chaussee und führt gen Westen zu den Schönwalder Bahnhöfen. Kurz vor dem ersten Bahnhof findet man links eine „Bahnhofspassage“ und rechts ein altes Forsthaus.
Der erste Bahnhof, eigentlich nur ein Bahnsteig am Gleis, ist noch in Betrieb und wird von der in Richtung Basdorf und weiter nach Wandlitz fahrenden Heidekrautbahn genutzt.
Der zweite Bahnhof, keine 500 Meter weiter, sieht zwar stattlich aus und hat sogar eine Gaststätte, aber auf dem Gleis davor fährt höchstens mal eine Museumsbahn.
Am Ortsausgang, wo die Mühlenbecker Chaussee nach links abknickt, führt der in der Karte ausgewiesene Jakobsweg geradeaus in den Wald nach Dammsmühle.
An der Ecke ist ein Kreuz mit Blumen und kleinen Andenken, das einer jungen Feuerwehrfrau gewidmet ist, die hier in der Kurve einen Unfall hatte und in ihrem Auto verbrannt ist.
Die Idylle des lichten Laubwaldes wird durch plötzlich auf­tauchende Bauten gestört, die zusammen mit den Straßen­laternen mitten im Wald darauf hindeuten, dass hier zu DDR-Zeiten irgendwelche „bewaffnete Organe“ sesshaft waren.
Mit der Vermutung, dass es die Stasi war, liegt man in der Regel nicht falsch. Die hat sich gern im Wald versteckt.
Der Vorgängerbau des jetzigen Schlosses wurde von einem Berliner Lederfabrikanten namens Damm errichtet, der 1755 das Gelände rings um eine ehemalige Mühle erworben hat.
Der Leutnant Adolph Wollank erwarb das Anwesen 1894 bei einer Zwangsversteigerung und ließ das Gebäude umbauen und aufstocken. Nach Wollanks Tod wurde das Schloss 1919 von seinem Bruder verkauft, hatte dann wechselnde Besitzer, gelangte 1940 in die Hände von Heinrich Himmler, dann in die der Roten Armee und schließlich in die Krallen der Stasi, die es bis 1989 als Jagdschloss genutzt hat. Offenbar haben Mielkes Leute nicht nur Agenten und Regimegegner gejagt.
Obwohl Mielke, wie er später verlauten ließ, alle geliebt hat, war er sich nicht der Gegenliebe des Volkes sicher und hat reichlich Truppen in dafür rings um das Schloss errichteten hässlichen Mannschaftsgebäuden einquartiert.
Nach der Wende wurde das Schloss erst als Hotel genutzt, dann rückübertragen, verkauft und nach fortgeschrittenem Verfall als Kulisse für Freiluftveranstaltungen genutzt.
Nach mehrfach wechselnden Besitzern wurde das Areal 2017 an eine Berliner Eigentümer­gesellschaft verkauft, die das Gelände entwickeln und das Schloss wieder herrichten will.
Die Bauarbeiten am Schloss sind schon seit einiger Zeit im Gange und hinter der Rüstung strahlt das schneeweiße Schloss schon in alter Schönheit. Aber die Anbauten, die den Hof hinter dem Schloss zur Straße hin abgrenzen, zeigen sich noch in einem völlig heruntergekommenen Zustand.
Die Stasi-Bauten im Wald wird die Eigentümergesellschaft sicher nicht weiter nutzen wollen. Es ist zu hoffen, dass die bald verschwinden oder durch Neubauten ersetzt werden.
Am Mühlenteich vorm Schloss ist erstmal nichts zu machen. Der ist so schön, wie er sicher auch schon zu Damms Zeiten war, und die Angler sind offenbar mit seinem Inhalt zufrieden. Ein herrlicher Rundweg führt um den See. Es fehlt nur der Blick auf die künstliche Insel mit einer als Moschee getarnten Gaststätte samt Tanzsaal, die Herr Wollank einst zur Erheiterung seiner Besucher hier schwimmen ließ.
So wie zu Mielkes Zeiten Landkarten gefälscht wurden, um „Republikflüchtige“ zu täuschen, hat man hier die Wegzeichen so an den Baum gemalt, dass man beim Verfolgen der Pfeile auf einem Trampelpfad landet, der vorbei an einem ehemaligen Wachtposten zum Tegeler Fließ führt.
Das Bächlein ist zwar nicht breit und tief, aber von einem breiten Schlammstreifen eingerahmt. Nach der Passage sieht man nicht aus, als würde man aus dem Schloss kommen.
Wenn man die Überquerung des Tegeler Fließes geschafft hat, landet man kurz darauf auf einem schönen Weg entlang des Mühlenbecker Sees und kann an einigen Stellen einen schönen Ausblick auf den See genießen und sogar baden.
Trotzdem ist es zu empfehlen, am Schloss nicht den Pfeilen ins Dickicht zu folgen, sondern sich den Baum etwas gedreht vorzustellen und dann den Pfeilen folgend weiter auf dem Weg zu bleiben und erst später links abzubiegen.
Auf der Höhe des Summter Karpfenteiches kommt man wieder auf den ausgeschilderten Wanderweg, der sich durch den Wald zieht und von Osten her nach Summt führt.
Kurz vor dem Ort fällt rechts im Wald eine Investruine auf. Mit viel Fachwerk und großen Verandas hätte das Gebäude sicher nett ausgesehen, aber jetzt ist es ein Schandfleck.
Der Weg führt am östlichen Ortsrand von Summt entlang. Rechts sind Wohngrundstücke, links fällt der Blick auf die Wiesen am Summter Gaben. Dann biegt der Jakobsweg, der wieder einem grün beschilderten Wanderweg folgt, links in ein kleines Gehölz ab.
Dahinter öffnet sich wieder der Blick auf die Wiesen. Ausgeschildert ist der Weg auch als Mühlenwanderweg mit dem Ziel „Historische Mönchmühle“ in 5,5 km Entfernung.
Die Bäume und Sträucher sind herbstlich bunt gefärbt, da macht das Wandern Spaß.
Es geht wieder über kleine Fließe, vorbei an idyllischen Rastplätzen und entlang eines riesigen Maisfeldes, das „Steinberge“ genannt wird.
Der Weg knickt dann plötzlich rechts ab und führt nun mitten durch das Maisfeld. Das ist bereits abgeerntet, da sind nur noch einzelne Inseln übrig geblieben, so wie auf mancher Glatze noch ein paar Haarbüschel geblieben sind.
Dann geht es durch ein Wäldchen zur Autobahnbrücke.
O Schreck, die neue Brücke ist noch gesperrt. Aber wie es aussieht, kann man die als Fußgänger problemlos passieren, weshalb ich die Verbotsschilder einfach mal übersehe.
Vom Zehnrutenweg, auf dem ich wandle, geht es links in den Ziegeleiweg, der mich zur Buchhorster Straße führt.
Dabei komme ich am Grundstück eines Künstlers vorbei, das mit eisernen Figuren und Körperteilen vollgestellt ist.
Kurz vor Mühlenbeck geht es noch einmal über das Tegeler Fließ, das von Sümpfen und bunten Sträuchern umgeben ist.
Die Buchhorster Straße (L 30) heißt ab dem Abzweig der L 305 „Bahnhofstraße“ und führt nach Mühlenbeck hinein. Das Verkehrsschild, das vor einer Paarung von LKW und Baum warnt, ist hier völlig zu Recht aufgestellt, wie der abgeschrammte Baumstamm am Straßenrand zeigt.
Nach einer Doppelkurve zweigt der Jakobsweg rechts ab.
Eigentlich geht es über Woltersdorfer Straße, Hermann-Grüneberg-Straße und Kastanienallee zum S-Bahnhof.
Aber ich habe Hunger und da das Alte Forsthaus in der Doppelkurve geschlossen ist, laufe ich weiter bis zur Hauptstraße, wo ich mir in einer Dönerbude einen prächtigen Döner nebst Getränk gönne und im Vorgarten verzehre.
Wenn ich schon mal in Mühlenbeck bin, werfe ich gleich mal einen Blick auf die Kirche an der Kreuzung mitten im Ort.
Wie der Grundstein in einer Wand der aus hellem Backstein gemauerten Kirche verrät, ist diese 1871 zusammen mit dem Kaiserreich gegründet worden, also gerade mal 150 Jahre alt. Ein Reinkommen ist natürlich nicht möglich ...
Die große Tafel mit der Aufschrift „Demnächst hier: Informationen zu den Jakobswegen in Brandenburg“ steht noch immer da wie bei meinem letzten Besuch im Januar 2020.
Aber was sind schon eineinhalb Jahre in der langen Geschichte der Jakobswege!
Da, wo sich die Hauptstraße in Schönfließer und Berliner Straße gabelt, geht es links ab in die Hermann-Grüneberg-Straße, die über die Kastanienallee zum etwas spartanischen S-Bahnhof Müncheberg-Mönchmühle führt.
Von dort geht es mit der S-Bahn zur Bornholmer Straße, mit der Ringbahn nach Ostkreuz und weiter nach Ahrensfelde.
In ein paar Tagen werde ich auf gleichem Weg hier her fahren und dann die letzte Etappe dieses Jakobsweges laufen.