Es ist der 1. Juni 2021. Ich reise morgens mit S-Bahn und RE 1 nach Briesen (Mark), um die zweite Etappe auf der Südroute des Ostbrandenburger Jakobsweges anzugehen.
Der Zug ist pünktlich, ich bin kurz vor 9 Uhr dort, wo ich am Vortag die erste Etappe beendet hatte, ohne viel von Briesen gesehen zu haben. Die Häuser in der Bahnhofstraße, auf die man als erstes zuläuft, sehen nicht besonders ansprechend aus. Hier ist es nicht mehr mit einem Eimer Farbe getan.
Ein paar Meter weiter beginnt der von Bahnhof- und Lindenstraße eingeschlossene, sehr langgestreckte Anger.
Schon an dessen Spitze findet sich eine Infotafel zum Jakobsweg, die berichtet, dass es hier schon vor über 1000 Jahren eine slawische Siedlung gab, dass der Ortsname auf dem slawischen Wort für Birken zurückzuführen ist und dass der Ort 1403 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Im 30jährigen Krieg wurde er zerstört, 1809 ist er abgebrannt.
Auf der anderen Straßenseite ist ein Fleischer, der längst geöffnet haben müsste. Zwei Frauen stehen vor der Tür und warten. Da hinter dem Schaufenster nichts darauf hindeutet, dass eine Öffnung bevorsteht, ziehen sie wortlos wieder ab.
Bei uns hätte man wenigstens laut geschimpft und an die Tür getrommelt. In Anbetracht des schönen Blickes auf die Briesener Kirche, hätte man aber auch noch eine Weile vor der verschlossenen Ladentür ausharren können.
Zurück auf dem Anger fallen einem die beiden Denkmale neben der Kirche auf. Eines für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, das die verlorene Ehre in den Vordergrund rückt, und eines für die Opfer des Zweiten Weltkrieges, das mit einer Mahnung zur Wahrung des Friedens versehen ist.
So unterschiedlich kann man auf Kriege zurückblicken.
Das von einer sehr geschmackvoll in Bronze gestalteten, trauernden jungen Frau gekrönte Denkmal für die Opfer des Zweiten Weltkrieges listet nicht nur die Gefallenen, sondern auch die Opfer von Flucht, Vertreibung und Kriegswirren, sowie die in Internierungslagern umgekommenen Menschen aus Briesen und Kersdorf.
Einer Infotafel an der Dorfkirche ist zu entnehmen, dass der kleine klassizistische Saalbau mit seinem zweigeschossigen quadratischen Turm 1835-38 an der Stelle eines mittelalter­lichen Vorgängerbaus errichtet wurde. Die Tür ist verschlossen, aber man könnte sich den Schlüssel holen. Nur ist leider unter der genannten Nummer gerade niemand zu erreichen.
Der „Lindengarten“ östlich der Lindenstraße hat auch schon mal bessere Zeiten gesehen.
Die recht unauffälligen Häuser an der Bahnhofstraße machen hingegen auf der Höhe des Angers einen durchaus sehr gepflegten Eindruck.
Am Abzweig nach Kersdorf steht das alte Schulhaus von 1904, das einst vier Klassen­zimmer für 230 Kinder und 4 Lehrerwohnungen enthielt.
Seit 1955 dient das im Krieg zerstörte Haus als Land­ambulatorium bzw. Ärztehaus.
Der Jakobsweg biegt am Ärztehaus rechts ab in die Kirchhof­straße, die zur Kersdorfer Straße wird. Nach Fürsten­walde sind es angeblich 21 Kilometer, da kommt aber bestimmt noch was dazu. Geradeaus geht es zur Kersdorfer Schleuse am Oder-Spree-Kanal.
Der Friedhof, an dem man vorbei kommt, zeigt verschiedene Bestattungsformen und Gestaltungsmöglichkeiten von Urnengrabanlagen. Er beherbergt außerdem gleich mehrere Gedenkstätten für Kriegsopfer. Vor der Kapelle steht ein Stein mit der schlichten Aufschrift „Unseren Gefallenen 1914-1918 / 1939-1945“. Darunter ist noch Platz für weitere Jahreszahlen.
Ein Stück weiter, hinter der Urnengrabanlage, ist ein kleiner Soldatenfriedhof mit Gräbern beidseits eines Kreuzes mit der Inschrift „In ehrendem Gedenken unseren Gefallenen“.
Jedes Grab besitzt einen kleinen ziegelförmigen Stein mit dem Namen des Bestatteten. Ohne Dienstgrad, Alter oder Todesdatum. Schlicht und ergreifend.
Ein Stück weiter, etwas versteckt, befindet sich eine Gedenk­stätte für die hier gefallenen Sowjetsoldaten. Der zentrale Gedenkstein mit rotem Stern und der Inschrift „Ruhm und Ehre den gefallenen Helden der Sowjetarmee“ wird flankiert von zwei schwarzen Stelen mit etwa 40 Namen.
Insgesamt liegen hier aber lt. sowjetische-memoriale.de
(wo noch ein älteres Bild ohne diese Stelen zu finden ist) 145 im Kampf gefallene Soldaten und Offiziere.
Gegenüber dem Friedhof ist man gerade dabei, Baufreiheit für neue Häuser zu schaffen.
Ein Stück weiter stehen schon einige Neubaublocks aus DDR-Zeiten, die inzwischen etwas aufgehübscht und sicher auch saniert wurden.
Noch bevor man die Brücke über das Mühlfließ und die dort gelegene alte Mühle passiert, kommt einem schon der Müller entgegen gerutscht. Das Haus, auf dessen Dach er keinen Halt findet, war wohl wirklich mal das Haus des Müllers.
Das Mühlfließ wird hier zum Mühlgraben und speist den Kersdorfer See, der in den Oder-Spree-Kanal mündet.
Kurz hinter dem Briesener Ortsausgangsschild biegt die Kersdorfer Straße nach links ab. Der Jakobsweg führt hin­gegen geradeaus in einen Wald, den er erst in Berkenbrück wieder verlassen wird.
Der Weg verläuft in leichten Kurven immer geradeaus in Richtung Westen, mal durch Kiefern-, dann durch Laubwald, aber meist durch Mischwald, wo sich junge Laubbäume zwischen den alten Nadelbäumen ausbreiten. Hier herrscht himmlische Ruhe, nur hin und wieder sind ein paar Geräusche der nahen Autobahn zu hören.
Lehrpfade, auf denen Pflanzen und Tiere zu erkunden sind, gibt es viele. Hier hat sich der Förster mal was Besonderes einfallen lassen und einen Mathematik-Lehrpfad eingerichtet, bei dem es insbesondere um die Bruchrechnung geht. Nicht jede Aufgabe ist simpel. 54/3,4 ist schon eine harte Nuss.
Auch wenn man sich hier nicht so leicht verlaufen kann, freut man sich über die häufigen Wegmarkierungen, meist in der Kombination von Jakobsmuschel und rotem Balken.
Hier gibt es mehr Schilder pro Kilometer als Wanderer pro Woche - ich habe auf der ganzen Strecke durch den Wald niemand getroffen. Nur Mücken und einen Schmetterling.
Da es im späten Frühjahr mal ein bisschen geregnet hatte, war der Boden längst nicht so verdorrt wie in den Vorjahren. Frisches Gras und junge Triebe gaben den Waldboden ein sattes Grün und machten die Luft sehr erträglich.
Allmählich wurden die Autobahngeräusche stärker und irgendwann waren die ersten Fahrzeuge sichtbar.
Der Weg verläuft jetzt leicht bergan und führt zu einer stattlichen Autobahnbrücke, die hinüber ins (fast) Nichts führt. Der Schilderwald am Brückenkopf zeigt an, dass verschiedene Rad- und Wanderwege über die Brücke führen. Wir bleiben aber auf der hiesigen Seite der Autobahn.
Ein Blick von der Brücke (unten rechts in Richtung Osten) lässt wieder endlose LKW-Kolonnen erkennen, die auf dem Weg von Polen nach Berlin sind, wie schon am Tag zuvor.
Der Jakobsweg führt in einer S-Kurve wieder bergab und quert ein Feuchtgebiet, das von einem Bach gebildet wird, der ein paar Meter weiter die Autobahn unterquert. Man wird es nicht erraten: auch dieser Bach nennt sich Mühlenfließ!
An der nächsten Weggabelung steht ganz versteckt ein altes Forsthaus (?) am Waldesrand. Gegenüber ist eine große, sicher gut besuchte Wiese. Wenn der Förster zugleich Jäger ist, kann er seinem Hobby vom Dachfenster aus nachgehen.
An der Gabelung zweigt der Jakobsweg rechts ab und entfernt sich dadurch schnell von der Autobahn. Die Geräusche verstummen für eine Weile, bis dann auf der anderen Seite was zu hören ist - nicht permanent, aber alle paar Minuten. Der Weg nähert sich jetzt nämlich wieder der recht stark befahrenen Eisenbahntrasse von Berlin nach Frankfurt (Oder).
Bis die ersten Züge durch den Wald zu sehen sind, dauert es noch eine Weile und man kann in Ruhe die Vielfalt an Hochsitzen und anderen waidmännischen Bauten bewundern und darüber grübeln, warum hier, wo ein Mann jeden Baum zur Erleichterung nutzen kann, spezielle Bäume als „PP“ ausgewiesen sind.
Kaum tritt man aus dem Wald heraus, steht man schon am Bahnhof Berkenbrück mit dazugehörigem Bahnübergang.
Die Schranke hat dort viel zu tun, denn alle paar Minuten braust ein Güter- oder Personenzug durch. Und auf den Abstellgleisen westlich des Bahnübergangs warten weitere Züge darauf, sich einzufädeln.
Vom Bahnhof, an den sich jenseits der Gleise eine kleine Siedlung anschließt, ist es bis in das Dorf noch ein ganzes Stück zu laufen. Aber auf dem breiten asphaltierten Weg entlang der Bahnhofstraße (L 38) ist das kein Problem.
Es gibt am Wegesrand Interessantes zu entdecken: An einer Garagentür wird auf einer in Russisch beschrifteten Tafel der Inbetriebnahme eines Abschnitts der Gas-Pipeline „Progress“ anlässlich der 19. Allunionskonferenz der KPdSU im Jahre 1988 gedacht. (Für mehr Details reichen die Reste an Schul-Russisch leider nicht aus.)
Hurra! Ohne diese Tafel wären das Gasrohr und die Konferenz möglicherweise in Vergessenheit geraten.
Aber Spaß beiseite: Auf der genannten Konferenz hat Gorbatschow Resolutionen zur Stärkung von „Glasnost“ und „Perestroika“ durchgesetzt, ohne die es vermutlich nicht zu jener Entwicklung gekommen wäre, die wir ein Jahr später in Osteuropa erleben durften. Insofern ist es nicht verkehrt, daran zu erinnern, und sei es mit einer Tafel an der Garagentür.
Erfreulicherweise stehen an der Straße vereinzelt Bänke, auf denen man mal verschnaufen kann. Manche sind sogar mit der Jakobsmuschel gekennzeichnet, wie jene dicht am
„Haus Jona, Wohnstätte für Kinder und Jugendliche mit autistischer Spektrumsstörung“, das von den Samariteranstalten Fürstenwalde betrieben wird. (Bild oben)
Für die Bewohner solcher Wohnstätten stellt Corona mit seinen Einschränkungen bestimmt ein viel größeres Problem dar, als für Kinder und Jugendliche, die in ihren Familien leben. Hochachtung vor den Betreuern, die das zu kompensieren verstehen!
An der großen Kreuzung im Dorf stehen ein paar respektable Bauten, darunter (v.l.n.r.) eine Fleischerei, ein Café mit Pension und ein Landgasthof. Alle drei sind leider geschlossen.
Auf der ausgehängten Karte ist neben der Nord- und Süd­route des Jakobsweges noch eine dritte eingezeichnet, die von NO über Sieversdorf nach Briesen verläuft.
Das ist die Alternative über Lebus + erdachte Verbindung.
Eine der Straßen, die von besagter Kreuzung abgehen, ist die Dorfstraße, die nach Süden verläuft und sich nach 50 m gabelt, den Anger einschließt und dann fast bis an einen alten Arm der Fürstenwalder Spree führt.
Auf dem Anger stehen unter anderem die Berkenbrücker Kirche und das Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.
Die Kirche wär sicher wie alle anderen am Weg geschlossen, wenn nicht gerade Bauarbeiter dabei wären, den Raum unter der Empore mit einem neuen Pflaster zu versehen.
Der Raum ist durch eine halb verglaste Holzwand vom restlichen Kirchenschiff abgetrennt und wird sicher als Winterkirche, vielleicht auch als Unterrichtsraum benutzt.
Nun steht zwar gerade das ganze Mobiliar dieses Raumes in der Kirche aufgetürmt und die Teppiche sind über die Bänke ausgebreitet, aber man bekommt trotzdem einen Eindruck davon, wie schön die Kirche mit ihrer sparsamen Bemalung im Innern und den großen Bildern an den Wänden ist.
Auf der Infotafel vor der Kirche erfährt man, dass Berkenbrück erstmals 1285 als „Birkenbrücke“ erwähnt wurde. Seit 1775 hat der Ort, durch den früher die Heer- und Handelsstraße nach Berlin verlief, seinen jetzigen Namen.
Die Kirche wurde 1832 im Rundbogenstil der Schinkelschule erbaut und 1869/70 durch einen Turm im Westen ergänzt. Wie ein Bild auf Wikipedia zeigt, hatte der Turm zwischen­zeitlich eine andere Spitze, seit der Rekonstruktion im Jahre 2008 hat er wieder seine ursprüngliche Form.
Rings um den Anger stehen einige schöne Häuser und nahe der Kreuzung verkündet ein Schild, dass hier kosten­freies WLAN verfügbar ist.
Das ist wahrlich noch kein Standard in Brandenburg!
Die 32 Grad sind aber üblich.
Kaum in die Fürstenwalder Straße eingebogen, kommt uns eines der Elektroautos der Deutschen Post entgegen. Es war ja mal geplant, diese von der Post selbst konstruierten und von einem Tochterunternehmen produzierten „StreetScooter“ mittelfristig flächendeckend einzusetzen und diese auch an Gewerbetreibende zu verkaufen.
Wegen hoher Verluste, die der Produzent einfährt, war jedoch zwischenzeitlich von einer Ein­stellung der Produktion die Rede, nun soll sie aber mindestens bis 2022 fortgeführt werden.
Auf der rechten Seite der Fürstenwalder Straße sieht man den Friedhof von Berkenbrück. Der hat nur eine kurze, wenig eindrucksvolle, mit Maschendraht versehene Straßenfront, ist aber sehr tief und nur recht locker belegt.
Gleich links neben dem Eingang findet man am Zaun zum Nachbargrundstück eine Reihe von Kriegsgräbern aus dem zweiten Weltkrieg. Hier liegen etwa zwei Dutzend Gefallene, sowohl namentlich bekannte, als auch unbekannte.
Die meisten Grabstellen haben einen einfachen, liegenden Granitblock mit dem Namen oder „Unbekannter Soldat“ als Grabstein, nur wenige wie der Obergefreite Krause haben einen individuell gestalteten Stein.
Eine Tafel „Den Opfern des 2. Weltkrieges 1939-1975“ dicht am Gräberfeld listet insgesamt 73 Namen.
Kurz vor dem Ortsausgang überqueren die Straße und der parallel verlaufende Fuß-/Radweg auf separaten Brücken den „Neuendorfer Hauptgraben“, der sich hier als große, grüne Wasserfläche präsentiert.
Gleich darauf biegt der Jakobsweg (gleichlaufend mit dem Rote-Balken-Weg) nach rechts ab in das Königsgestell.
Der Wald, in dem man jetzt läuft, erstreckt sich im Norden bis weit über die Bahnlinie hinaus und im Süden bis zur Fürstenwalder Spree.
Es handelt sich um den Beerenbusch, der zur Stadt­forst Fürstenwalde gehört.
Wie in fast allen Wäldern, durch welche der Jakobsweg führt, nehmen auch hier die Laubbäume immer mehr Raum ein. Das hat nicht nur wirtschaftliche und ökologische Vorteile, sondern bietet auch bei den derzeit hohen Temperaturen etwas Frische in der Luft. Für den Laien nicht gleich auszu­machen: ein Teil des Waldes ist eine frühere Baumschule.
Abgesehen von einem verlorenen Karnevalskostüm trifft man bis kurz vor Fürstenwalde niemand im Wald.
Der schnurgerade Weg ist gut präpariert, man muss beim Laufen nicht auf Wurzeln oder große Dellen achten. Bald tragen einen die Beine automatisch vorwärts und man kann die Gedanken schweifen lassen.
Nach 2/3 des Weges durch den Beerenbusch steht plötzlich eine Schutzhütte am Weg, die für ein Picknick bestens geeignet ist. Ein geschnitzter Pfahl mit der Jakobsmuschel zeigt an, dass man noch auf dem richtigen Weg ist.
An dieser Stelle sei den Leuten von der Jakobusgesellschaft ein Lob für die insgesamt ganz gute Ausschilderung gesagt.
Etwa ab hier trifft man auch die ersten Menschen im Wald: Fürstenwalder Jogger, die hier ihre Runden drehen.
Und erste Zivilisationsgeräusche sind zu hören: Der Weg nähert sich unweigerlich wieder der Eisenbahnlinie, entlang der er sich ja von Frankfurt (Oder) bis nach Erkner schlängelt. Dort, wo das Königsgestell auf die Bahnlinie trifft, knickt der Weg nach links ab und verläuft nun bis zur Stadtgrenze parallel zu den Gleisen. Das ist was für Eisenbahnliebhaber!
Alle paar Minuten kommt ein Zug von vorn oder hinten. Am Bahnübergang ist die Schranke nur selten längere Zeit offen.
Ab da, wo sich der Weg wieder allmählich von der Bahnlinie entfernt, steht linker Hand eine mitunter kunstvoll mit Graffiti verzierte Betonwand, die zweifelsfrei ein ehemaliges Militärgelände umgibt. Vermutlich gehörte die Fläche zur 1897 errichteten Ulanenkaserne, die später von der Wehr­macht und bis 1993 von der Roten Armee genutzt wurde.
Hinter der Mauer befindet sich noch ein Waldstreifen, der ziemlich zerfurcht ist, da er offenbar von Cross-Fahrern als Trainingsgelände genutzt wird.
Dahinter breitet sich neben einem großen Solarfeld und ein Recycling-Unternehmen aus, das hier noch viel Material vorfindet, da sich überall Berge mit Betonteilen auftürmen und auch noch ehemalige Garagen herumstehen. Letztere sind scheinbar auch ein beliebter Treffpunkt der Jugend.
Dort, wo der Weg den Wald verlässt, wird links eine weitere Solaranlage sichtbar und dahinter die Silhouette von Fürstenwalde, die durch zwei außergewöhnliche Wohntürme geprägt ist. Der Weg geht hinter einer Sperre über in die Frankfurter Straße, die eine große Eigenheimsiedlung durchquert und bis ins Stadtzentrum führt. Rechts befindet sich übrigens hinter den Eigenheimen die erwähnte Ulanen-Kaserne mt eindrucksvollen Gebäuden aus der Kaiserzeit, die inzwischen zu komfortablen Wohngebäuden umfunktioniert wurden. Die im Web gefundenen Bilder legen nahe, sich das gelegentlich mal anzuschauen.
Eigentlich müsste man auf der Frankfurter Straße bleiben, wenn man dem ausgeschilderten Jakobsweg folgen will.
Hunger und Durst legen es aber nahe, links in die Mandel­straße einzubiegen, an deren Ende sich ein Supermarkt befindet. Von dort aus kann man gut die Türme bestaunen, die schon beim ersten Anblick Interesse geweckt haben.
Es handelt sich bei den beiden Türmen um Wassertürme, die zu Wohngebäuden umgebaut wurden.
Beim „Alten Wasserturm“, der noch als solcher zu erkennen ist (oben rechts), sind gläserne Treppen- und Fahrstuhltürme angebaut worden, über die sich die Wohnungen im Schaft, im Kopf und in der Haube des Turmes erreichen lassen.
Der Turm wurde 1904/05 erbaut, ist 48,5 Meter hoch und besaß ursprünglich einen genieteten Stahlblechbehälter für 500 Kubikmeter Wasser.
Beim „Neuen Wasserturm“ (links) ist nicht sofort zu erkennen, dass es sich hier um einen Wasserturm handelte.
Er wurde 1930 bis 1935 errichtet, da der alte Turm nicht mehr ausreichte, um den erforderlichen Wasserdruck zu sichern. Er war ursprünglich 37 Meter hoch und fasste 1000 Kubikmeter. Jetzt ist er achteckig mit Wohnungen umbaut.
Wer im Internet nach „Wohnen im Wasserturm Fürstenwalde“ sucht, landet schnell bei Immobilienmaklern. Dort findet man zwar keine Angaben zur Errichtung und Umnutzung der Türme, aber Wohnungsangebote mit Bilder­galerien, die einen wagen Eindruck davon vermitteln, wie man in einem solchen Turm wohnt. Man muss nur starke Nerven haben, um die ätzende Werbung auf solchen Portalen zu ertragen.
Zum Glück gab es in der MOZ 2014 einen Artikel von Manja Wilde, in dem die o.g. Daten und weitere Details zu finden sind: Beide Türme waren bis 1985 in Betrieb, 2002 wurden sie nach 4jährigen, 13 Millionen DM teuren Umbau durch eine Immobilienfirma als Wohnhäuser wieder eingeweiht. Beide Türme zusammen beherbergen 36 Wohnungen. Im verglasten Dachgeschoss des neuen Turms befindet sich das Büro der Wohnungsverwaltung.
Beim Versuch, ans Wasser zu gelangen und dort den Weg ins Stadtzentrum fortzusetzen, landet man in der (allerdings weit vom Ufer entfernten) Uferstraße, von der die Straße „Am Rechenzentrum“ abzweigt. Und tatsächlich scheint da zwischen den Wohnhäusern ein Gebäude mit der einst bei Rechenzentren üblichen blauen Fassade durch.
Ob da auch noch die riesigen Rechner drin stehen, an denen man selber mal gesessen hat?
Schräg gegenüber befindet sich in der Uferstraße das ehemalige Gästehaus des Rechenzentrums. Da kommen bei mir Erinnerungen auf an Zeiten, in denen ich als verrückter Programmierer mit riesigen Festplatten im Trabi oder Magnetbändern im Koffer durch die Gegend gereist bin, um irgendwo freie Rechnerkapazitäten zu nutzen. Wenn Übernachtung erforderlich war, dann in solchen Absteigen.
Am Ende der Uferstraße ist dann wirklich mal Wasser in Sicht. Ein Trampelpfad führt durch das Grün am Mühlenfließ. Auf der rechten Seite ist eine große Baustelle eingezäunt.
Es ist das Jagdschoss-Enemble mit dem ehemaligen Jagdschloss in der Mitte und einem historischen Magazin auf der rechten Seite.
Das Jagdschloss wurde 1699-1700 vom Hofbaumeister Martin Grünberg für den späteren König Friedrich I. im Barockstil errichtet. Ob es jemals als Jagd- und Gästehaus genutzt wurde, ist nicht bekannt. Nach dem Tod Friedrich I. 1713 verfiel es, 1750 ließ es Friedrich II. als Getreidespeicher für das Militär umbauen, 1795 wurde das Magazin hinzugefügt. Bis 1993 diente das Ensemble als Lager, dann hat es ein privater Investor erworben. Im Zuge einer Zwangsverteigerung ist es 2013 die Stadt Fürstenwalde gefallen, die es herrichten und künftig nutzen will, eventuell als eine Hochschule für Gastronomie und Tourismus.
Vom Uferweg, der an einer Anlegestelle für Tagestouristen vorbei führt, fällt der Blick auf eine Halbinsel, auf der sich die Wasserstraßen- und -schifffahrtsverwaltung (WSV) befindet.
An einem Pavillon sind Bilder von WSV-Schleusen zu sehen. Am attraktiven Klinkerbau der Verwaltung ist zweifelsfrei abzulesen, dass dieses aus dem Jahre 1899 stammt.
Zur WSV gehört auch die „Schleuse Fürstenwalde Spree“, zu der man gelangt, wenn man vom WSV-Gebäude über die Mühlenbrücke zur Spreeinsel läuft. Auf der Südseite dieser Insel befindet sich die Schleuse mit ihren zwei Kammern. Da kommt man aber als Normalbürger schon nicht mehr hin.
Die Kammern haben eine nutzbare Länge von 65 m und sind 8,54 bzw. 9,40 m breit (Fallhöhe: 0,93 m). Die Norschleuse wurde 1891 gebaut, 1912-14 die breitere Südschleuse.
Wieder zurück zum Mühlenfließ steht man vor einen großen roten Backsteinbau, bei dem am Giebel noch der Schriftzug „VEB Fürstenwalder Spreemühlen“ prangt.
Die Mühle wurde 1837 auf Holzpfählen errichtet und zunächst mit Wasserkraft angetrieben. Sie war angeblich die erste vollautomatische Mühle amerikanischer Bauart und der erste Fürstenwalder Industriebau aus Backstein. 1899 und 1907 wurden beidseitig Ziegelbauen angefügt und der Betrieb auf Dampfkraft umgestellt. 1945 ist sie ausgebrannt, aber wieder aufgebaut und bis in die 90er Jahre betrieben worden.
Wenn man am „Bootsparkplatz“ festmacht, kann man das alles in Ruhe bestaunen und sich anhand von Infotafeln kundig machen. Tagsüber herrscht da aber von 10 bis 11 Uhr Parkverbot, vermutlich um Dauerparker fernzuhalten.
Die Besatzung der „Arabella“ wird sich wohl gleich in die Altstadt begeben, um sich dort umzusehen. Der Turm des Fürstenwalder Doms war schon vom Stadtrand aus zu sehen, jetzt scheint es, als wäre es nur ein Katzensprung dorthin.
In Wirklichkeit sind noch ein paar Straßen zu passieren.
Es bietet sich an, vom Mühlenfließ das Treppchen zur Wassergasse hochzusteigen und über den Parkplatz zur Schlossstraße zu gehen. Einige der dortigen Neubauten haben im Erdgeschoss Erker, welche die Fassade auflockern, selbst wenn ihr Innenleben nicht sonderlich einfallsreich ist.
An der Ecke Schlosstraße/Mühlenstraße trifft man auf „Mord's Eck“ - eine seit 1777 existierende Brauerei, die seit 1899 im Besitz der Familie Mord ist. 1936 wurde zwar der Brauereibetrieb eingestellt, aber weiterhin Bier abgefüllt.
Heute befindet sich hier ein Getränkehandel. Der historische Hof und ein Innenraum stehen für Feiern zur Verfügung.
Biegt man am Mord's Eck rechts ab, kommt man zur Ecke Mühlenstraße/Kehrwiederstraße mit der Bronze-Skulptur „Stadtmusikanten“, bei der aber nicht wie in Bremen Esel, Hund, Katze und Hahn übereinander getürmt sind, sondern Nilpferd, Bär, Ziege, Hase und Rabe. Der Bildhauer Lutz Hähnel aus Schöneiche hat 1982 diesen „Turm der Tiere“ geschaffen.
Ein Stück weiter trifft die Mühlenstraße auf den Markt, der von Einkaufspassagen umrahmt ist. An der Südseite steht das Alte Rathaus, dessen interessantesten Räume im Keller liegen. Da ist ein kleines, aber sehr sehenswertes Brauereimuseum untergebracht, das sehr kurzweilig die Geschichte des Fürstenwalder Brauereiwesens erzählt. Und das Beste an dem Museum ist, dass dort in einer kleinen Schaubrauerei auch Bier gebraut wird, das man gleich vor Ort an rustikalen Tischen zwischen den Vitrinen verkosten kann.
Vor dem Rathaus steht eine nettes Wasserspiel in Form von zwei Kindern, die unter einem Regenschirm stehen, von dem das Wasser plätschert (wenn der Hahn aufgedreht ist). Diese Bronzeskulptur „Kinder unter dem Regenschirm“ wurde 1978 von Stefan Horota geschaffen.
An der Mühlenstraße wird die Rathausstraße zur Domstraße, was ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass man auf diesem Wege zum Dom Sankt Marien kommt.
Die Domstraße führt tatsächlich direkt auf das Hauptportal unter dem Turm, welcher nicht wie üblich genau nach Westen zeigt, sondern eher nach Südwesten.
Der jetzige Dom wurde in der Mitte des 15. Jahrhunderts im gotischen Stil erbaut und 1771 im Barockstil umgestaltet, 1910 wurde das Kirchenschiff wieder in den gotischen Stil versetzt.
Die dreischiffige Kirche wurde im April 1945 fast vollstänig zerstört, ihr Wiederaufbau dauerte 50 Jahre. Dabei hat man bewusst Kriegsschäden als Mahnung sichtbar gelassen. So wurde das eingestürzte Deckengewölbe durch ein pfeilerloses Flachdach ersetzt. Dadurch war es möglich, die unsymmetrisch angeordneten Pfeiler in den Höhen zu belassen, die nach den Zerstörungen im Krieg übrig blieben. Das heißt, der Besucher findet in der Kirche dicke Pfeiler, die nicht bis zur Decke reichen, sondern irgendwo auf dem Weg dorthin enden.
Gern hätte ich mir das vor Jahren schon einmal Gesehene erneut angeschaut, aber der Dom schließt leider schon um 16 Uhr. Bis dahin schaft es kein Berufstätiger und kein Pilger.
Außen gibt es aber auch Einiges zu entdecken, z. B. den „Schachbrettstein“ dicht am Boden an einem zum Fenster umfunktionierten Seiteneingang. (Bild oben rechts)
Der weiß verputzte Turm des Doms, der von zwei halbhohen Treppentürmen flankiert wird, ist 68 Meter hoch. Über seine Errichtung gibt die Inschrift über dem Portal Auskunft:
Sub Auspicio Dei (Unter der Führung Gottes)
und unter der weisen und glücklichen Regierung Friderici II. Magni ist dieser Thurm welcher in Anno 1731 geradgefallen, zur Ehre Gottes und zur Zierde deser Stadt im Jahr 1755 von neuen wiederum aufzubauen angefangen, auch in eben dem Jahre glücklich vollendet.
S D G (Soli Deo Gloria = Gott allein die Ehre)
Von 1385 an war Fürstenwalde Sitz der Bischöfe des Bistums Lebus, das bis zum 16. Jahrhundert existierte. Sankt Marien als Bischofskirche wurde damit zur Kathedrale, auch „Dom“ genannt. Seit Ende 2013 darf die Stadt offiziell den Namenszusatz „Domstadt“ führen.
Südöstlich des Doms steht das sogenannte Bischofsschloss (unten links), wobei es sich längst nicht mehr um die Burg bzw. das Schloss handelt, in dem einst Bischöfe residierten, sondern um des Rest eines Nachfolgebaus. Dieser wurde von der Stadt verkauft und von den neuen Eigentümern 2011/12 im Stil von 1900 restauriert.
Das rote Fabrikgebäude am Domplatz ist die sogenannte „Kulturfabrik“, ein soziokulturelles Zentrum der Stadt.
Das im Nachbarhaus befindliche Stadtmuseum gehört auch dazu. Was es mit dem Leuchtturm vor dem Museum auf sich hat, kann man sicher im Museum erfahren - wenn man vor 17 Uhr kommt, sich also beim Wandern/Pilgern beeilt hat.
Das Wappen der Stadt Fürstenwalde, das man an einigen Gebäuden, z. B. am Markt finden kann, zeigt einen Baum mit einem Vogel (einem auffliegenden Raben) in der Krone und beidseits des Baumes den schlesischen (schwarzen) und den brandenburgischen (roten) Adler.
Wer sich nicht merken kann, welches des brandenburgische Adler ist, der sei an die inoffizielle Landeshymne „Märkische Heide, Märkischer Sand“ von Gustav Büchsenschütz erinnert:
„Steige hoch, du roter Adler, über Sumpf und Sand“.
Für heute habe ich genug gesehen, jetzt wird es Zeit, sich zum Bahnhof aufzumachen.
Der Fürstenwalder Bahnhof liegt außerhalb des Zentrums. Man macht nichts falsch, wenn man die Eisenbahn­straße benutzt, um dort hin zu kommen. Bis zum „Stern“ ist es eine stark befahrene Landesstraße (L 35), dahinter eine eher beschauliche Einkaufsstraße. Der Stern hat seinen Namen daher, dass hier viele Straßen aufeinander treffen.
Zwischen der Eisenbahn- und der Dr.-Wilhelm-Külz-Str. ist eine einladende Parkanlage, an der das Hotel Kaiserhof liegt.
Am Bahnhof bekommt man noch den dritten Fürstenwalder Wasserturm, auch „Pizzeria-Turm“ genannt, zu sehen.
Der steht auf dem Bahnhofsvorplatz und beherbergt nach „Neue Öffnung“ einen Imbiss namens „Chicken-Haus“, zuvor war es ein „Mc Wasserturm“. Hier kann man sich vor der Heimfahrt stärken oder bei kaltem Wetter aufwärmen.
Zum Glück hält der RE 1, mit dem man schnell in Erkner oder Ostkreuz ist, hier tagsüber alle halbe Stunde.
Es geht wieder ein schöner, abwechslungsreicher Tag zu Ende. Mit Briesen und Berkenbrück gab es zwei sehenswerte kleine Ort und mit Fürstenwalde eine interessante Stadt zu sehen. Das Wetter war sehr schön, auf den langen Strecken durch dichten Wald ließ sich die Hitze gut ertragen. So kann es morgen weitergehen.