Sonntag, 3.9.2023, von Lauenhain nach Schönfels / 21,6 km

9.30 Uhr. Ich sitze in Hartmanndorf auf einer Parkbank neben dem Kriegerdenkmal und mache Pause. Gerade habe ich festgestellt, dass ich vom Jakobsweg abgekommen bin. Der verlief ja bislang immer zusammen mit dem Lutherweg. Irgendwo im Dänkritzer Wald, gleich hinter Lauenhain, ist der aber abgezweigt, was ich nicht mitbekommen habe. Nun folge ich erstmal weiter dem Lutherweg nach Königswalde und laufe dann weiter nach Marienthal, wo ich wieder auf den Jakobsweg treffe, der von Nord nach Süd durch Zwickau führt. Ich glaube, in Zwickau habe ich heute nichts verpasst - für einen Gottesdienstbesuch wäre es eh zu spät gewesen. Ehe ich da wäre, säße der Pfarrer beim Mittagessen.

Wie ich gerade erfahren habe, ist heute auf dem Flugplatz Zwickau ein Trabant-Treffen, aber der Flugplatz liegt von Marienthal aus hinter den Bahnanlagen. Solch ein Nostalgiker bin ich nun auch wieder nicht, dass ich für die Rennpappen einen Umweg einlegen würde.

Heute will ich bis Schönfels, das sind nur etwa 25 km und mit meiner Abkürzung vielleicht sogar ein bisschen weniger. Da kann ich das also ganz locker angehen, zumal ich mich dort für 18…19 Uhr angekündigt habe. Die Reservierung meines Schlafplatzes war ganz witzig. Ich hatte per Email bei der Kirchengemeinde Lichtentanne nach einem Quartier gefragt. Darauf hat mir die Urlaubsvertretung, die Pfarrerin aus Ebersbrunn, geantwortet, dass es in Lichtentanne keine Schlafmöglichkeit gibt, dass ich sie aber anrufen soll, wenn ich noch einen Tipp brauche. Am Telefon hat sie mir empfohlen, bei Frau Kramer in Schönfels anzurufen. Diese hat mir dann gesagt, dass es zwar ein Pilgerquartier mit Sofas im Jugendraum der Pfarrgemeinde gäbe, dass aber Familie Däumer was Besseres zu bieten hat. Frau Däumer hat mir dann am Telefon versichert, dass es in ihrem Haus (wo es zehn Gästebetten gibt) viel gemütlicher wäre, dass ich keinen Schlafsack bräuchte und dass ich Abendbrot und Frühstück bekäme. Das hört sich doch verlockend an.

12.00 Uhr. Ich sitze in Zwickau-Marienthal in einer Dönerbude. Ich bin schwach geworden und habe meinen Grundsatz gebrochen, Döner über fünf Euro zu boykottieren. Die Alternative wäre hier aber Verhungern gewesen. Ich bin, am Südende Zwickaus ange­kommen, extra nicht nach rechts abgebogen, um auf kürzestem Wege nach Schönfels zu kommen, sondern nach links, wo man noch etwas Stadt zu sehen bekommt, bevor man wieder auf dem Jakobsweg ist. Und weil hier in der Karte ein Imbiss eingezeichnet war.

Die Dönerbude ist leidlich frequentiert, was Voraussetzung dafür ist, dass der Spieß sich nicht schon ewig dreht. Das Angebot ist das übliche. Dem Wirt ist leider nicht anzumerken, dass ihm die Arbeit Spaß macht und sein Blick ist stets auf die offene Tür und den Fußweg davor gerichtet - vielleicht in Erwartung eines Finanzbeamten, denn wie in vielen Döner­buden scheinen auch hier die Tasten auf der Kasse nur zum Öffnen der Schublade zu dienen. Aber der Döner war gut, wenn auch nicht riesig.

21.45 Uhr. Die heutige Etappe mit nicht vielmehr als 20 Kilometern kann man durchaus als Ruhetag durchgehen lassen. Obwohl ich reichlich Pausen gemacht habe, war ich schon um halb vier am Ziel. Da ich mich viel später bei Familie Däumer angekündigt hatte, habe ich mir erstmal in aller Ruhe die Burg Schönfels angeschaut, die nach dem Passieren der vom „Liebberg“ gekrönten Anhöhe plötzlich ins Blickfeld kam. Eine gut erhaltene, annähernd elliptische Burg mit rundem Turm, die auf einem Felskegel thront. So, wie man Burgen aus einschlägigen Büchern kennt. In der Burg ist ein Museum, in dem man viel über Burgen im Allgemeinen und speziell zu dieser Burg und ihren früheren Besitzern erfährt. Beeindruckend sind die Dachkonstruktionen, in die man an verschiedenen Stellen schauen kann. Man kann auch den Turm besteigen, von dem aus man einen guten Blick auf das malerisch um einen Dorfteich gelegene Schönfels und die Umgebung hat. Lohnenswert ist außerdem der Blick von einer früheren Loge in die Burgkapelle, die gern für Hochzeiten benutzt wird und entsprechend eingerichtet ist. Auf dem Burghof ist eine Gaststätte, die ein Rittermahl zu bieten hat, aber momentan wegen Urlaub geschlossen ist. Insgesamt ist die Burg eine Besichtigung wert und ich war deshalb froh, dass ich schon so früh in Schönfels war, denn um 17 Uhr ist auf der Burg Feierabend.

Als ich meinen an der Kasse abgestellten Rucksack wieder abholte, habe ich den „Burgwächter“ gefragt, ob er das im Souvenir-Regal angepriesene Craft-Bier einer ein­heimischen Privatbrauerei auch in einer gekühlten, verzehrfertigen Version hat. Da musste er passen, aber er sagte, ich solle mal mitkommen und ist mit mir über den Hof, hat eine Tür aufgeschlossen und mich ein paar Stufen runter in eine Küche geführt, wo ein paar angefangene Bierkisten verschiedener Marken herumstanden. Aus einer der Kisten hat er mir ein wohl temperiertes „Frankenfelser“ gereicht und damit etwas gegen meine akute Unterhopfung getan. Ein guter Mensch. Und er wollte nicht mal was für die Flasche haben, da er nicht weiß, wem die halbvollen Bierkisten gehören. Auch gut. Da die Küche eigentlich für das gemeinsame Kochen bei Kinderprojekten gedacht ist, haben Bierflaschen da eh nichts zu suchen.

Danach bin ich, der Jakobswegausschilderung folgend, runter zum Dorfteich und halb um diesen herum bis zum Kriegerdenkmal auf halber Höhe des Kirchberges. Auf dem Weg dorthin gab es so viele schöne Sichten auf die Burg, dass ich beim Fotografieren den Akku fast in die Knie gezwungen habe.

Vom Kriegerdenkmal gelangt man durch eine Hintertür auf den Friedhof rings um die Kirche. Letztere war leider verschlossen. Im Schaukasten hingen aber Namen von Personen, an die man sich zwecks Besichtigung wenden kann. Eine davon war Frau Kramer, mit der ich ja schon bei der Reservierung telefoniert hatte. Die habe ich später auch angerufen und eine kompetente Kirchenführung erhalten. Vorher habe ich aber mein Quartier bezogen. Da ich Däumers Adresse gar nicht wusste, habe ich angerufen und Herr Däumer, der sich gleich als Herbert vorstellte, kam mir entgegen. Die Unterkunft ist wirklich nicht weit von der evangelisch-lutherischen Kirche entfernt - in der evangelisch-methodistischen Kirche. Den Fremden wundert es, dass es in einem Ort mit 1500 Einwohnern zwei Kirchengemeinden gibt, aber hier hat man kein Problem damit. Im Gegenteil, man kooperiert sehr gut, feiert gemeinsam Gottesdienste - mal hier und mal dort. Und man bringt Pilger, egal, bei wem sie anfragen, dort unter, wo sie am besten versorgt werden. Und das ist zweifelsfrei bei Familie Däumer der Fall. Sie wohnen im ehemaligen Armenhaus, das nach der Wende an die evangelisch-methodistisches Gemeinde fiel, die dort eine moderne Kapelle angebaut hat. Über der Kapelle ist ein großer Gruppenraum und im Spitzdach sind in drei hintereinander liegenden Räumen acht Betten, sämtlich frisch bezogen. Früher wurde das Quartier viel von Jugendgruppen genutzt. Während Corona fiel das weg und jetzt geht es erst wieder schleppend mit Gruppenfahrten los. Und Pilger waren in diesem Jahr auch erst zwei da. Das ist eine harte Probe für Herbergseltern, die so gern Gäste bewirten, wie die Däumers. Natürlich war ich wie alle Pilger, die hier schlafen, zum gemeinsamen Essen eingeladen. Und das, obwohl Frau Däumer einen geschienten Arm hat und selbst auf Hilfe angewiesen ist. Der Essenstisch war gut gedeckt, zu trinken gab es, was ich am liebsten mag und bei guten Gesprächen verging die Zeit wie im Fluge. Ein schöner Abend.

Via Imperii - Lauenhain-Schönfels