Dienstag, 5.9.2023, von Limbach nach Weischlitz / 30,2 km

21.45 Uhr. Bis kurz vor abends um sieben hätte ich heute sagen können „und täglich grüßt das Murmeltier“, denn vieles war wie gestern: Es war eigentlich eine nicht so lange Tour, aber mir kam die Idee, eine nahe dem Weg liegende Sehenswürdigkeit zu besuchen. Der Umweg, der sich daraus ergab, hat wieder dazu geführt, dass ich meine 18-Uhr-Verabredung am Zielort nicht einhalten konnte. Dann nahm der Tag aber eine ganz andere, sehr schöne Wendung. Aber der Reihe nach.

Ich habe in Limbach auf der riesigen Couch im Pfarrsaal hervorragend geschlafen und bin wahrscheinlich nur deshalb um sieben aufgewacht, weil draußen der Straßenverkehr zunahm. Das Pfarrhaus liegt zwar etwas erhöht zusammen mit Friedhof und Kirche an einem Rondell neben der Dorfstraße, aber die Fensterfront hinter meiner Couch war der Straße zugewandt.

Nach dem Frühstück, bestehend aus Kaffee und einer Scheibe des leckeren Brotes, das ich am Vorabend abgestaubt hatte, ging es gegen acht los.

Von Limbach führte der Weg über Herlasgrün und Neudörfel an den Stausee von Pöhl, der sich mit vielen Verästelungen gut in die Landschaft einfügt. Die Uferbereiche sind sehr gepflegt. Da, wo ich auf den See gestoßen bin, reichen Bungalowsiedlungen bis ans Wasser. Daran schließen sich Liegewiesen und Badestände an. Der Weg führt über einen riesigen (Bezahl-) Parkplatz, auf dem drei Autos standen. Es sind zwar keine Ferien mehr, aber bestes Sonnen- und Badewetter. Da ist es unbegreiflich, dass kaum jemand am Wasser zu sehen ist. Die Strandbar war genau so leer wie der daneben befindliche (Bezahl-) Hüpfburgen-Spielplatz. Das kann aber auch an den Preisen liegen - vier Euro für eine Bockwurst haben auch mich dazu bewegt, weiterzugehen.

Die Talsperre selbst, die einen sanften Bogen beschreibt, unterscheidet sich von manchen anderen dadurch, dass sie nicht zwischen zwei Felsen gepresst ist, sondern mit ihrer Krone etwa die Höhe des Terrains rund um den Stausee hat. Aber auf der rechten, dem See abgewandten Seite geht es tief hinunter und hoch bergauf. An der Sohle der Talsperre plätschert etwas Wasser, welches das Bächlein „Trieb“ speist und beidseits geht es recht hoch hinauf.

Der ausgeschilderte Jakobsweg verläuft entlang der Straße über den Stausee und biegt dann rechts in den Wald ab. An dieser Stelle verkündet eine riesige Steinplatte, dass die Talsperre Pöhl „ein Großbau des Sozialismus“ ist und 1964 „zum 15. Jahrestag der DDR ihrer Bestimmung übergeben“ wurde. Zum Glück ist die Talsperre langlebiger als die DDR.

Der Jakobs- und verschiedene andere Wanderwege verschwinden also im Wald und führen stetig bergauf bis zu einer Stelle, wo sich vor fünftausend Jahren mal eine Siedlung befand und wo in den letzten Jahrhunderten nach Eisenerz gebuddelt wurde. Dort biegt die Mehrzahl der Wege links ab, andere führen hinunter ins Tal und über kleine Brücken ans andere Ufer der Trieb und dann den Berg hoch nach Jocketa. Ich habe einen dieser Wege genommen, leider einen, der wenig begangen und deshalb ziemlich zugewuchert war. Unten im Triebtal sprudelt ein munterer Bach, der sich um Felsbrocken windet und mit vielen kleinen Stromschnellen in Richtung Weiße Elster fließt. Eigentlich ist es im Tal durch die dicht belaubten Bäume ziemlich finster, aber die Sonnenstrahlen finden durch ein paar Baum­lücken doch den Weg bis nach unten und lassen das Wasser an vielen Stellen silbern glänzen.

Oben in Jocketa angekommen, war mein erstes Ziel der EDEKA-Ableger „Simmer“, wo ich mir was für ein Picknick besorgt habe. Als Ort für die Zelebrierung des Frühstück-/Mittag-Ersatzes bot sich ein überdachter Rastplatz in einem Park an. Die alte Dame, die dort schon saß und ihren 4 Monate alten Urenkel im Kinderwagen schaukelte, hat nicht nur erlaubt, dass ich mich dazu geselle, sondern hat auch ganz nett mit mir geplaudert. Sie hat erzählt, dass sie ganz am Ende der Straße wohnt, aber den Kleinen, dessen Mutter krank ist, nicht zum Schlafen in den Garten stellen kann, weil nebenan mit viel Lärm an der Brücke gebaut wird.

Und da haben wir schon den Grund meines Ausfluges: die Elstertalbrücke, die der Göltzschtalbrücke ähnlich, aber ein Stück kleiner ist. Hier wurden „nur“ 12 Millionen Ziegel verbaut.

Die Elstertalbrücke wurde auch 1846-51 für die Eisenbahnlinie Leipzig-Hof gebaut und überspannt mit 279 m Länge und 68 m Höhe die Weiße Elster. Sie ist wie die Göltzschtal­brücke konstruiert, hat aber nur zwei statt vier Etagen. Davon ist aber momentan nichts zu sehen, weil die Brücke umfassend saniert wird und deswegen vollständig eingerüstet ist. Das muss den Brückenbewunderer nicht traurig stimmen, denn mit Gerüst sieht die Brücke noch viel interessanter aus. Solch ein riesiges Gerüst habe ich noch nie gesehen und hätte ich mir nicht vorstellen können. Angeblich ist es das größte Gerüst Europas. Die Brücke ist auf voller Länge, Höhe und Breite eingerüstet, was einen unglaublichen Aufwand an Rüstung erfordert.

Die Bauarbeiten sind so koordiniert, dass jeweils ein Gleis der wichtigen Bahnverbindung nutzbar bleibt. Es wird hier also im laufenden Betrieb gebaut. Das gibt es bei der Bahn nicht oft.

Schade an den Bauarbeiten ist jedoch, dass fast alle Wanderwege unterhalb der Brücke gesperrt sind, unter anderem jener, der auf halber Höhe des Viadukts auf die andere Seite führt. Also heißt es, ins Tal runter steigen, ein Stück entlang der Weißen Elster laufen, die Trieb an ihrer Mündung auf einer Brücke überqueren und dann den Weg hoch zu der Stelle mit der ehemaligen Steinzeitsiedlung. Nach vier Stunden, einigen Kilometern und vor allem etlichen Höhenmetern war ich wieder dort, wo ich den Jakobsweg verlassen hatte.

Der Weg führte nun weiter bis auf den höchsten Punkt der Gegend, dem Eisenberg, und dem darauf befindlichen Mosenturm, benannt nach einem thüringischen Dichter. Nach den vielen Höhenmetern kam es nun auf die 14 Meter (74 Stufen) auch nicht mehr an und ich bin hochgestiegen, um die wirklich grandiose Sicht auf den Stausee und die Umgebung zu genießen. Bei einer frischen Briese und etwas Schatten durch die Haube des Turmes, hätte man es da eine Weile aushalten können. Aber der Blick auf den Routenplaner zeigte, dass es noch 14 km (3,5 Std.) bis Weischlitz sind und ich mich beeilen muss, um pünktlich am Ziel zu sein. Erst habe ich mich noch an den ausgeschilderten Jakobsweg-Verlauf gehalten. Da aber die gut gemeinten Windungen und Kurven des Weges entlang der Weißen Elster und des Mühlgrabens nicht die kürzeste Strecke darstellen und vom Routenplaner nicht berücksichtigt wurden, verschob sich die voraussichtliche Ankunftszeit immer mehr in Richtung 18 Uhr und darüber hinaus. Deshalb habe ich in Plauen den Weg entlang der Thiergartenstraße gewählt und die Altstadt ausgelassen. Da gerade Berufsverkehr war, war es dort bestimmt auch besser zu laufen, als durchs Zentrum. Leider brannte die Sonne ganz schön herunter und Schatten gab es nicht mehr viel, weil der Wald Feldern gewichen ist. Da musste ich zwischendurch in einem Supermarkt Wasser nachtanken.

In Kürbitz, dem letzten Ort vor Weischlitz, bin ich zu meiner großen Überraschung an zwei geöffneten Gaststätten vorbei gekommen, an einem Landgasthof mit schönem Biergarten und einer Fleischerei mit Gastwirtschaft. Der Karte nach gibt es außerdem noch einen „Goldenen Löwen“.

Nun waren es noch zwei Kilometer und es kam bereits von Ronny, dem Herbergsverwalter, die vereinbarte WhatsApp mit der Angabe, wo ich ihn treffe. Trotzdem bin ich noch schnell in den am Weg liegenden „diska“-Markt, um mir was für das Abendbrot zu kaufen. Ich wusste ja nicht, dass das überflüssig ist.

Bei Ronny angekommen, begrüßte er mich gleich mit der Frage, ob ich was trinken will. Und als wir schon unterm Carport ansetzen wollten, kam seine Frau, Nadine, dazu und meinte, wir sollten uns doch auf die Terrasse setzen. Kaum hatten wir es uns dort gemütlich gemacht, fragte Sie, ob ich gern mit Abendbrot essen möchte, es gäbe aber nur die kalte Variante. Da habe ich mich nicht lange betteln lassen und bei frischem Brot, leckerem Blauschimmelkäse, Wurst etc. ordentlich zugelangt. Bis zum Dunkelwerden haben wir noch zusammen auf der Terrasse gesessen und geplaudert. Beide stammen aus dem Ort bzw. der unmittelbaren Umgebung und haben u. a. von ihrer Kindheit nicht weit weg vom Grenzzaun berichtet. Und von der Grenzöffnung, die ihnen neue Abenteuerspielplätze erschloss. Nadine erzählte, wie sie mit dem Vater die seit dem Krieg nur halbfertige große Autobahnbrücke erkundet hat, während die Mutter nichtsahnend Essen kochte.

Auch jetzt ist sie gern auf Erkundungstour, meist mit der Tochter (Anfang 20) in den Alpen. Rucksackschleppen und Übernachtungen in Gemeinschaftsunterkünften sind ihr also ein Begriff. Ronny hat es nicht so mit dem Hochgebirge, er fährt derweil zum Beispiel für ein paar Tage nach Kroatien. Bei dieser Plauderei wurde es wie gesagt spät und dunkel. Da war es Zeit, in mein Quartier in der nahen CVJM-Herberge aufzubrechen. Ronny hat mir in dem momentan nicht belegten Haus alle Räumlichkeiten gezeigt und mir die freie Bettenwahl überlassen.

Als er weg war, habe ich nach umfänglicher Dusche wenigstens noch den gekauften Salat verputzt, damit der nicht vergammelt, und noch etwas auf dem Smartphone getippt, bevor ich ins Bett bin.

Via Imperii - Limbach-Weischlitz