Unterwegs auf dem Camino Francés / Finisterre
Von Villafranca del Bierzo nach La Faba

Tag 24 (Sa, 21.5.2022) – Von Villafranca del Bierzo nach La Faba

Ich bin in Villafranca in meinem 8-Mann-Zimmer allein geblieben und habe herrlich geschlafen. Ich hatte mir offenbar wirklich das beste Bett ausgesucht. Trotz offenem Fenster habe ich bis zum frühen Morgen ohne Schlafsack geschlafen und mich erst dann darin eingekuschelt. Kurz vor fünf war ich wach und wollte nur noch ein paar Minuten schlummern, da war es plötzlich viertel sieben und ich war fast allein in der Herberge. Aber Ausschlafen schadet ja auch nicht.

Eine halbe Stunde später war auch ich auch auf dem Weg. Der führte bis kurz vor dem Schluss immer an der Straße entlang, allerdings an einer Straße, auf der nur alle viertel Stunde ein Auto fuhr. Manche sind auf einen höher gelegenen Alternativweg ausgewichen, aber ich fand es gut, ohne Stolpern auf Asphalt zu laufen und habe die Brückenbauten der Autobahn bewundert, unter der sich die Landstraße und ein kleiner Fluss schlängelten. Grandiose Brücken, Traversen und Tunnelöffnungen waren da zu bestaunen und bei manchem Brückenpfeiler kam bei mir Bewunderung auf, wie der im Felsen verankert wurde. Ich fand es also keineswegs langweilig, an der Straße zu laufen.

Die wenigen Dörfer an der Straße sahen allerdings ziemlich verlassen aus. Es sind nicht nur viele Häuser leerstehend und einige schon verfallen, es sind vor allem die Herbergen, Kneipen und Kaufmannsläden zu und damit jedes Leben erloschen.

Auf dem letzten Viertel des Weges zweigte dieser von der Straße ab und ging zunächst mäßig und dann endlos lang mit etwa 10% Steigung bergauf. Ursprünglich wollte ich bis hoch auf den Berg nach O Cebreiro, aber etwa 4 km vorher, in La Faba habe ich aufgegeben. Das heißt, eigentlich wollte ich nur mal eine längere Pause machen, mich am Brunnen erfrischen und dann weiterlaufen. Als ich dann aber am Ende des Dorfes gesehen habe, dass es dort genauso steil und steinig weitergeht, habe ich kehrt gemacht und in der kirchlichen 8-Euro-Herberge eingecheckt. Die ist ausnahmsweise sehr lobenswert: ein ehemaliges Pfarrhaus, das wie die dazugehörige Kirche schon mal verfallen war, aber vor ca. 25 Jahren auf Initiative eines Stuttgarter Pfarrers wieder aufgebaut und zur Herberge hergerichtet wurde. Seit dem wird die Herberge von einem Stuttgarter Verein betrieben, zu dem auch Rudi gehört, der mich als Hospitalero begrüßte. Der ist unglaublich nett und witzig. Er hat später erzählt, dass er in den letzten 10 Jahren in Spanien 8000 km gepilgert ist. Pilgern macht wohl wirklich süchtig, wie Jörg Steinert in seinem Buch „Pilgerwahnsinn“ behauptet.

Zu den überwiegend deutschen Pilgern in der Herberge gehörte auch ein junger, sehr sympathischer evangelischer Diakon aus (Berlin-) Neukölln, Henry. Den haben einige bekniet, am Abend eine Pilgerandacht in der hübschen Kirche auf dem Gelände zu halten. Das war ihm erst unangenehm, aber dann hat er sich eine Stunde zurückgezogen und eine Pilgerandacht vorbereitet, die allen Anwesenden, und das war mindestens die Hälfte der Schlafgäste, sehr zu Herzen ging. Gehalten in perfektem Englisch mit deutschen Einlagen, mitreißend gesungenen und selbst auf der Gitarre begleiteten Liedern und abschließend einem von sechs Pilgern in verschiedenen Sprachen vorgetragenem Gebet war das eine Wohltat für die Seele. Viele haben anschließend zum Ausdruck gebracht, dass sie sich sowas viel öfter auf dem Pilgerweg wünschen würden.

Rudi hat am Abend erzählt, dass der Pfarrer von O Cebreiro, wozu La Faba gehört, in seiner Kirche jeden Abend eine Messe hält, aber unmöglich auch noch nach La Faba kommen kann, da er 42 Gemeinden mit 26 Kirchen zu betreuen hat. Später habe ich erfahren, dass Rudi ein paar Pilger mit dem Auto in die Kirche von O Cebreiro gefahren und wieder abgeholt hat.

Ralf und Tina, die lange 15…20 km hinter mir lagen, habe ich heute wiedergetroffen. Erst Ralf, den ich gar nicht gleich wiedererkannt habe, und wenig später Tina. Wir haben kurz unsere Erlebnisse ausgetauscht und dann ist jeder wieder seiner Wege gegangen. Letztendlich haben wir uns alle hier in der Herberge wiedergetroffen. Tina durfte, sollte, musste hier vor der Andacht die Glocke läuten, was ihr trotz fehlender Übung ganz gut gelang.

Davor waren wir alle in der einzigen Bar des Ortes essen. Einheitsessen für alle: einen ganz guten Salat und einen Burger, bestehend aus ungetoastetem Brötchen und einer nicht ganz durchgebratenen Boulette, zusammen mit einem Eis für 12,50 €, völlig überteuert. Da der junge Wirt selbst der größte Freund seiner alkoholischen Getränke war und zwischendurch was rauchte, was nicht wie eine Zigarette aussah, kam es überhaupt nur zum Abendessen, weil die Gäste selbst beim Verteilen der Speisen mithalfen und das Bierzapfen übernahmen, wobei ich mich aber nicht sonderlich geschickt anstellte.

Camino Francés / Finisterre - Tag 24