Unterwegs auf dem Camino del Norte
Von Villaviciosa nach Deva (Gijon)

Tag 17 (Mittwoch, 22.3.2023) von Villaviciosa nach Deva (Gijon)

Die beiden Mitschläfer in meinem Zimmer, Annie und David, erwiesen sich heute früh als Langschläfer. Ich habe bis sieben gewartet und dann meine Sachen gepackt und mich auf den Weg gemacht. Erst mal bis zur nächsten Bar, um dort einen Kaffee zu fassen. Um acht ging es dann richtig los.

Ein Stück bin ich mit Alex gelaufen, der vom Flugplatz Memmingen schwärmt, zu dem er es näher hat, als nach München und wo er problemlos sein Auto abstellen kann. Ryanair fliegt von Memmingen die verrücktesten Ziele an. Er ist von dort nach Sevilla geflogen, um seine Fallschirmspringer-Lizenz zu machen und er wird von Santiago wieder nonstop nach Memmingen fliegen. Er weiß nur noch nicht wann …

Der Weg führte heute wieder durchs Hinterland, das nicht viel anders aussieht wie bergige Regionen bei uns in Deutschland. Nur dass es hier kaum richtige Dörfer gibt, sondern alles verstreut liegt. Kurz hinter Villaviciosa trennen sich wie gesagt die beiden Jakobsweg-Varianten. Vermutlich nimmt die Mehrzahl der Pilger die Variante über Gijon an der Küste, zumal die kürzer ist, als die über Oviedo (2 statt 3 Etappen bis Avilés). Annie wird hingegen nach Oviedo abgebogen sein, denn sie erzählte gestern noch, dass sie auf den Camino Primitivo wechseln will, weil ihr auf dem Camino del Norte zu wenige Berge sind. So verschieden sind die Geschmäcker. Ich habe vorhin in mich hinein geschimpft, als es wieder auf 450 Meter hoch ging. Überwiegend auf steilen Waldwegen und erst zum Schluss auf einer Straße mit mäßiger Steigung. Kurz vor dem steilen Anstieg habe ich auf einer Pilger­bank nochmal Pause gemacht, um mich zu stärken. Kaum saß ich, kamen zwei niedliche kleine Hunde vom Nachbargehöft und hüpften um mich herum und an mir hoch. Hätte ich jetzt wie geplant die als eiserne Reserve mitgeführten Cabanossi ausgepackt, wäre ich genauso hungrig aufgestanden, wie ich mich hingesetzt habe. Als die beiden Hunde merkten, dass nichts zu holen ist, haben sie sich auf die Straße zurückgezogen und mich von dort beobachtet. Ich brauchte nur die Hand in Richtung Rucksack bewegen und schon ging die Prozedur von vorn los. Ich habe gemeinerweise nichts von meiner Wurst abgegeben, aber selbst auch nichts gegessen.

Einige Kilometer weiter bin ich übrigens wieder an einen (ganz braven) Hund geraten, der vor einem Grundstück stand und gestreichelt werden wollte. Als der an meiner Hose gerochen hat, dass da schon zwei Kollegen am Werk waren, hat er gar nicht mehr von mir abgelassen. Zum Glück hat jeder Aufstieg mal ein Ende. Bergab ging es auf einer asphaltierten Straße. Dabei konnte man wieder die ganze Gegend überblicken und irgend­wann kam auch die ersehnte Kneipe „Casa Pepito“ in Peon ins Blickfeld. Schon von weitem waren Paul, Alejandro und der verloren geglaubte Antoine (die mich gerade alle überholt haben) an einem großen Tisch vor der Kneipe zu erkennen. Beim Näherkommen musste ich dann wahrnehmen, das die gar keine Getränke vor sich haben. Hier war der Katastrophenfall eingetreten, dass die nach Überquerung einer Bergkette sehnlichst erhoffte Kneipe zu hatte. Das muss auch außerplanmäßig gewesen sein, denn während wir da saßen, kamen einige Autos mit Bauarbeitern, die dort Mittagspause machen wollten.

Wie schon aus dem Routenplaner ersichtlich, war jetzt noch ein kleinerer Berg zu überwinden. Es ging also wieder teils auf der Straße, teils auf steinigen Wegen bergauf. Oben angekommen ergab sich doppelter Grund zur Freude. Erstens konnte man von dort auf Gijon und das Meer schauen und zweitens saß dort auf einer Bank am Straßenrand Paul mit einer Bierflasche in der Hand. Es war zwar nur „Mahou“, aber in dieser Ausnahme­situation hätte ich auch ein Sternburg akzeptiert. Ein DIN-A4-großes Schild am Eingang des Hauses hinter der Bank wies darauf hin, dass es sich hier um eine Bar handelt. Drinnen im dunklen Schankraum, der von ein paar Einheimischen bevölkert war, stand eine alte Dame am Tresen, die diesen Job bestimmt schon seit 80 Jahren ausübt. Für die von mir bestellten zwei Bier ist sie dann extra in ein Hinterzimmer verschwunden, um die Flaschen dort aus dem Kühlschrank zu holen. Aber das war wahrlich eine lebensrettende Maßnahme für mich und Antoine, der gerade zu uns gestoßen war.

Paul wollte wie Alex, Alejandro und Björn nach Gijon und dort in einem Hostel oder Hotel unterkommen. Ich habe mich da nicht ran gehängt, denn ich wollte langsam mal wieder in den Pilgermodus kommen, das heißt, ein bisschen mehr allein sein, neue Leute treffen und die Herbergsatmosphäre genießen. Also habe ich beschlossen, in Deva, (etwa 8 km vor Gijon) die Herberge auf dem zu dieser Zeit fast leeren Campingplatz zu nutzen. Die steht mit 7 € in meiner Liste. Inzwischen sind es zwar 9 €, aber das ist ok. Nun habe ich zwar die genannten 8 km von meinem gestern erreichten 3-Tage-Vorsprung eingebüßt, aber ich hoffe, dass ich das morgen wieder aufholen kann und bis Avilés komme.

18.00 Uhr. Ich sitze jetzt in der Gaststätte des Zeltplatzes, die erwartungsgemäß sehr leer ist. Ich habe mir erlaubt, den Wirt in der aus seiner Sicht wohlverdienten Pause zu stören. Mich hat hier das Tagesmenü für 11 € interessiert. Für den ersten Gang konnte er mir noch eine Auswahl bieten: Lasagne oder Linsen. Beim Hauptgericht gab es keine Wahl, da waren Calamaris vorgeschrieben. Bei aller Liebe zu Meeresfrüchten, das ist doch eher was für die Katze, die hier durch den Gastraum schleicht und sich nicht vertreiben lässt. Vielleicht sollte man das Schild „keine Hunde“ an der Tür entfernen. Ein Bullterrier hätte den Gastraum vermutlich katzenfrei gemacht. Den würde ich aber auch nicht gern beim Essen neben mir haben wollen. Bei jeder Bewegung, die der Wirt macht, droht die Gefahr, dass er umfällt und einschläft. Immerhin hat er es geschafft, den 9-Euro-Teller bis zu meinem Tisch zu bringen: 3 Scheiben Schweine-Lende im Wurstscheibenformat, wie man sie vermutlich als Aufschnitt kaufen kann, darauf eine halbe Paprika und Pommes, die man mit dem Salz, das ich in Abwesenheit des Wirtes im Regal gefunden habe, sogar essen konnte. Da ich keinen großen Hunger hatte, war es keine Kunst, mich satt zu bekommen. Der Herr, der im „Michelin“ die Sterne vergibt, muss aber nicht extra herkommen.

Es war auch ziemlich blöd, am halbwegs frühen Nachmittag in einem abgelegenen Kaff abzusteigen, aber für Gijon hat der Online-Pilgerführer kein Quartier ausgewiesen, das mir zugesagt hätte, obwohl da einige Hostels durchaus bezahlbar waren. Ich bin bis jetzt allein in einem 6-Mann-Zimmer. Antoine, auf den ich hier wieder getroffen bin, sitzt noch draußen und ist sich offenbar nicht sicher, ob er zu mir oder ins Nachbarzimmer zu den beiden Spaniern zieht. Ich habe ihm mal erzählt, dass ich schnarche und er glaubt das wirklich! Morgen werde ich, sofern ich nicht verschlafe, mit Sonnenaufgang aufbrechen, um möglichst noch am Morgen die 8 km bis nach Gijon hinein zu schaffen, die wir heute weggelassen haben. Von Gijon nach Avilés sind es dann gut 25 km. Beides zusammen sollte machbar sein.

Camino del Norte - Tag 17