Unterwegs auf dem Camino del Norte
Von La Isla nach Villaviciosa

Tag 16 (Dienstag, 21.3.2023) von La Isla nach Villaviciosa

10.00 Uhr. Wir Fünf haben uns gestern mit den im Dorfkonsum erworbenen Sachen ein schönes Abendbrot gemacht und hinterher noch eine Runde Karten gespielt („Schwimmen“). Um halb zehn waren wieder alle im Bett und das Licht aus. Von den 22 Betten waren immer­hin zehn belegt. Außer uns noch David, ein junger Frankfurter, drei Spanier und Annie, eine junge blonde Brasilianerin, die in Santander gestartet ist. Von den Spaniern hat einer leider grauenhaft geschnarcht, sonst wäre es eine angenehme Nacht gewesen. Mit unseren Resten und den bereitgestellten Zutaten haben wir uns heute Morgen noch ein schönes Frühstück gemacht und sind dann los - ich als erster um acht. Man darf gar nicht daran denken, dass es in der nächsten Woche um diese Zeit hier noch dunkel ist. Heute sind es nur ca. 23 km bis Villaviciosa, wovon jetzt ein Drittel geschafft ist. Da kann man schon mal eine Pause machen. Die Bank unterm Vordach einer kleinen Hütte bietet sich dafür an.

15.30 Uhr. Ich sitze in Villaviciosa in der Gaststätte und warte auf mein 12-Euro-Tagesmenü, das ich mir mit Hilfe der Deutsch sprechenden Freundin des Wirts auf dessen Telefon zusammen­gestellt habe. Der Weg war heute schön, aber wenig spektakulär. Es ging immer vorbei an vielen Weiden und einzelnen Gehöften, die selten mal ein richtiges Dorf bildeten. Abgesehen von Colunga, der kleinen Stadt gleich am Anfang der Tour, gab es keine Möglichkeit zum Essen oder Einkaufen. In einem Dorf hatte ich die Möglichkeit, mal einen Blick in die Kirche zu werfen, weil da gerade eine Dame am Schaffen war. Ein schönes kleines, dreischiffiges romanisches Kirchlein. Haupt- und Seitenaltäre sehr schlicht, aber durch gute Beleuchtung schön in Szene gesetzt.

Während ich so vor mich hin stampfte, sind meine Kameraden, zwei der Spanier und die Brasilianerin an mir vorbeigezogen. Letztere ist ganz zurückhaltend und wenig gesprächig. Sie gehört sicher nicht zu den Brasilianerinnen, die nach Europa geschickt werden, um sich auf dem Jakobsweg einen Mann zu suchen. (Die sind auf dem Camino Francés unterwegs, da ist die Auswahl größer.) Sie war wahrscheinlich noch schockiert, dass sie in der letzten Herberge ausschließlich von Männern umringt war.

Noch schockierter war sie sicher, als ich vorhin in „ihr“ Zimmer trete, weil mir dort eine Bett (223A) zugewiesen wurde. Das sind hier 4-Bett-Zimmer mit zwei Doppelstockbetten, Balkon mit Gartenbank, abschließbaren Schränken und einem eigenen Bad mit Badewanne! Toll, für 14 € die Nacht, obwohl der Preis (in der Liste noch 12 €) schon angezogen hat. Die Wirtin vergibt hier offenbar nach der Reihenfolge des Eintreffens erst die unteren Betten aller Zimmer und dann die oberen. Es kann also durchaus sein, dass da noch zwei Obermieter in unserem Zimmer einrücken. Das Geschlechterproblem zeigte sich schon nach wenigen Minuten, als Annie im Bad verschwand und ich nach einer Zeit vergeblichen Wartens mit zusammengekniffenen Oberschenkeln runter in die Kneipe und dort aufs Klo bin.

Das hatte nun aber das Gute, dass ich in der Kneipe auf meine vier Kameraden traf, zu denen sich inzwischen auch David aus Frankfurt gesellt hatte. Die sind nach der Ankunft erst mal zum Essen eingekehrt und wollten dann einchecken - wie ich in der „Albergue El Congreso“. Ich bin mit großem Neid bedacht worden, weil ich mir das Zimmer mit der Brasilianerin teile. Ich hoffe, die schnarcht nicht mehr als ich und lässt mich auch mal aufs Klo. Wenn ich hier fertig bin, werde ich erstmal aufs Zimmer gehen und mich in die Wanne legen. Da ist dann für eine Stunde Vollsperrung im Bad.

Bezüglich der Brasilianerin kann ich Entwarnung geben. Wir haben noch eine Einquartierung bekommen: David, der in diesem Jahr seinen zweiten Camino läuft. Der hat das Bett über mir, das vierte ist zum Glück noch frei. DER Schnarcher von gestern hat hier gerade einge­checkt, als ich vom Essen kam. Er hat aber durch einen glücklichen Umstand oder Gottes Fügung ein Bett im Nachbarzimmer bekommen. Ich vermute mal, dass das, was durch die Wand dringt, völlig ausreichend sein wird. Aus dem erhofften Wannenbad ist leider nichts geworden. Es gibt (bestimmt absichtlich) keinen Stöpsel. Ich bin gerade nochmal runter zum Eisenwarenladen, wo sicher welche im Angebot sind, aber der hat gerade zugemacht.

Nach dem Essen habe ich mich vorhin „ein bisschen“ hingelegt und bestimmt zwei Stunden geschlafen. Nun, nachdem ich nochmal eine Runde gedreht und telefoniert habe, sitze ich auf dem Balkon mit Blick auf einen kleinen Park hinter dem schön angestrahlten Rathaus. Auf dem Nachbarbalkon sitzen meine vier Kameraden, die komischerweise alle in einem Zim­mer untergekommen sind. Meine Belegungstheorie stimmte also nicht. Alex hat den Tag genutzt, um hier zum Friseur zu gehen. Für 10 € hat er eine Rundumbehandlung des Kopfes inklusive Rasieren bekommen. Bei meinen paar Haaren wäre das aber rausgeschmissenes Geld.

Hier in Villaviciosa muss man sich entscheiden, welche Variante des Jakobsweges man auf den nächsten 2…3 Etappen gehen will. Entweder weiter entlang der Küste über Gijon oder durchs Landesinnere über Oviedo. In Avilés treffen die Varianten wieder aufeinander. Obwohl Oviedo als alter Bischofssitz und Hauptstadt von Asturien sicher sehenswert ist, werde ich aber an der Küste bleiben. Oviedo ist ja Startpunkt des Camino Primitivo, denn ich irgend­wann mal laufen will. Dann werde ich die Stadt zu sehen bekommen. Die morgige Etappe nach Gijon wird aber hart werden. Die ist 30 km lang und hat zwei Berge (300 bzw. 450 m) zu bieten. Aber dafür wird es hoffentlich am Ende wieder einen schönen Blick aufs Meer geben. Heute hat man es nur ansatzweise zu sehen bekommen. So, jetzt ist der zuletzt tief dunkelblaue Himmel ganz schwarz. Da kann man sich gut zu Bett begeben. Der Schnarcher läuft noch draußen mit dem Telefon rum, da hat man eine Chance, einzuschlafen.

Camino del Norte - Tag 16