Unterwegs rings um Santiago de Compostela
Mit dem Bus von Fisterra zurück nach Santiago

Tag 32 (Gründonnerstag, 6.4.2023) mit dem Bus von Fisterra zurück nach Santiago

Ich habe heute (Gründonnerstag) mal richtig ausgeschlafen, war allerdings zwischendurch gegen sechs wach, weil ein spanisches Paar im Zimmer gepackt hat und los ist. Ich weiß gar nicht, wo die denn noch hin wollten, wenn sie doch schon am Ende der Welt sind. Die beiden verbliebenen Damen im 8-Bett-Zimmer haben hingegen tapfer durchgehalten und auch bis nach acht geschlafen. Ich bin dann raus, habe mir einen Kaffee gekocht und bin kurz vor neun los. Ich habe noch eine ausgedehnte Runde durch den Ort gedreht, auf der einen Seite bis zur Kirche. Den Trampelpfad, der durch einen Gemüsegarten dorthin führt, hat der Gärtner ausgeschildert, damit die Leute ihn nicht das Grünzeug zertrampeln. In der anderen Richtung bin ich bis zum Stadtstrand, der sich lang hinzieht. Auf der anderen Seite der Landzunge ist auch solch ein Strand und ich habe mich geärgert, dass ich nicht auf den Berg geklettert bin, von dem aus man die ganze Landzunge mit der Stadt und beiden Stränden sehen kann. Beim nächsten Mal!

Heute am Gründonnerstag ist in Spanien Feiertag, aber der Supermarkt in Fisterra hatte ausnahmsweise vormittags offen, so dass ich mich für die Busfahrt eindecken konnte. Da noch etwas Zeit war, habe ich mir in einer Kneipe, die mit veganem Essen warb und mit einer Boutique verbunden war, die passende (Damen-) Bekleidung hatte, Kaffee und Rührei bestellt. Was kam, war glücklicherweise wirklich vom Huhn und nicht aus der Soja-Tube. Wie sich rausstellte, wird die Gaststätte von einer deutschen Familie betrieben. Die war aber völlig unorganisiert. Das Mädel, das kassiert hat, hatte keine Geldbörse dabei, sondern hat einem anderen Mädel hinter der Theke das Geld des Kunden gegeben und gesagt, was sie als Wechselgeld haben will. Das dauert …

Die Rückfahrt war genau so schön wie die Hinfahrt und ich habe beschlossen, morgen oder übermorgen nochmal mit dem Bus ans Meer zu fahren. In Santiago angekommen, bin ich vorbei am Seminario Minor (jetzt eine große Herberge) und mehreren Labyrinth-Gärten in die Stadt und direkt in meine Herberge, wo ich drei Tage bleiben werde. Ich habe ein Bett in einer ruhigen Ecke, unten, mit Blick in den Garten. Nach einem kleinen Schlummerchen bin ich halb sieben los ins Zentrum, weil dort um 19.30 Uhr die erste Prozession angesagt war. Auf dem Weg dorthin habe ich noch eine Stärkung zu mir genommen. Da gab es zum 2-Euro-Bier als Zugabe eine kleine heiße Pfanne mit Pommes, Fleischstückchen und Piementos (gegrillte Paprika mit grobem Salz). Nach ein paar Bier ist man hier satt.

Die Prozession um halb acht ging beim Franziskanerkloster los und zog über den Platz vor der Kathedrale wieder durch die Straße, in der ich vorgestern Quartier hatte. Neben vielen Bildern habe ich auch wieder ein paar kleine Videos gedreht, die ich aber nicht alle mitschicken will, um Eure Smartphones nicht zu überfordern. Nach zwei Stunden habe ich mich (wie früher bei der Maidemonstration nach 10 Minuten) heimlich entfernt und in einer Kneipe Zuflucht gesucht, die WiFi zu bieten hat, um diesen Bericht zu verfassen und Bilder zu schicken. Das Berichteschreiben geht nicht nur auf die Leber, sondern auch auf die Figur. Hier gibt es zum Bier kleine Schälchen mit leckerer Linsensuppe nebst Knackerscheiben. Ein Ehepaar mit zwei Kindern hat mir gerade drei ihrer vier Schälchen rübergeschoben, da die Eltern keinen Appetit hatten und der Junge nur mal gekostet hat. Nun bin ich satt.

Die nächtliche Gründonnerstagsprozession ging schneller von statten, als die um halb acht. Nach einer halben Stunde, als ich mich ausgeklinkt habe, war schon die Hälfte des Weges zurückgelegt. Die Zuschauer waren fast so zahlreich wie bei der vorigen Prozession. Dieses Mal wurde der Zug angeführt von einem halben Dutzend Kreuzträgern mit Ketten an den nackten Füßen. Auf dem von den Kapuzenträgern getragenen Podest war der gefesselte Jesus dargestellt. Die Träger hatten wieder Eisenstangen in der Hand, mit der sie auf dem Steinpflaster den Takt schlugen.

Meine Herberge liegt etwas abseits des Zentrums, aber direkt an der Einflugschneise der Pilger. Es ist interessant, die in die Stadt laufenden und die von der Kathedrale zurück kommenden Pilger zu beobachten und zu vergleichen. Die gerade ankommenden machen zwar einen erschöpften, aber entschlossenen, mitunter verbissenen Eindruck. Trotz schwe­rem Rucksack sind sie zügig unterwegs und haben keinen Blick für das was links und rechts passiert. Jene, die das Heulen vor der Kathedrale oder ähnliche Gefühlsausbrüche beim Ankommen schon hinter sich haben, kommen gelassen daher geschlendert, haben ein Lachen oder zumindest ein Lächeln auf dem Gesicht, schauen sich interessiert um und grüßen Bekannte und Unbekannte.

Mit den Bekannten ist das eh so eine Sache. Heute fragt mich Alex, der gestern ange­kommen ist, per SMS, wo denn die Bushaltestelle ist. Kaum habe ich ihm geantwortet, schon renne ich ihn fast um. Er wollte in einen Waschsalon und sich dann mit Hanne und den beiden Italienern, die ich alle aus Ernestos Herberge kenne, treffen. Die sind heute angekommen. Kaum haben wir uns verabschiedet, renne ich den Dreien in die Arme. Die wollten mich prompt zum Alkoholgenuss überreden, aber ich war eisern, weil ich doch zur gleich beginnenden Prozession wollte. Aber es ist schön, wenn einem Leute freudestrahlend um den Hals fallen, mit denen man nur mal zusammen Abendbrot gegessen hat. Mal sehen, wen ich hier noch treffe. Viele Bekannte fehlen nicht mehr.

Rings um Santiago de Compostela - Tag 32