Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela
Tag 24 (Mi, 20.3.2024) El Cubo del Vino - Zamora / 32,9 km
Ich habe vor dem Schlafengehen noch aus dem Übernachtungspreis rausgeholt, was rauszuholen war: ich habe wie die Römer ein genüssliches Bad genommen. Mit viel Geduld kam warmes Wasser aus dem Hahn und für die Wanne im Badezimmer gab es sogar einen Stöpsel. Da war also nicht mal Improvisieren nötig. Ich musste nur abwarten, bis meine Mitbewohner im Bett sind, damit keiner wegen Harndrang an der Tür rüttelt, während ich das Bad genieße.
Anschließend habe ich in meinem plüschigen Bett hervorragend geschlafen und bin beim ersten Hahnenschrei (Winfrieds Seufzer im Schlaf) um halb sechs aufgestanden. Da ich kein Frühstück gebucht hatte, bin ich gleich losgezogen. Im Gehen habe ich noch Winfried von meinen Kohletabletten abgegeben, da er wehleidig vom Klo kam: Dünnpfiff - nicht besonders angenehm in einer baum- und strauchlosen Gegend ohne Orte, in denen man auf eine Bar mit Aseo (Klo) hoffen kann.
Als ich aufgebrochen bin, war es noch stockfinster und nur mit Modelleisenbahners Stirnlampe war ein Vorwärtskommen möglich. Am Ortsausgang von Cubo del Vino habe ich gestaunt, dass dort eine gar nicht mal kleine Kapelle im Bau ist, aus Ziegelsteinen mit auf­wändiger Natursteinverkleidung. Und das, obwohl es im Ort eine stattliche alte Kirche gibt. Das finde ich schön - ich dachte schon, der Kapellenbau sei ganz aus der Mode gekommen.
Hinter dem Ort führte der Weg über einige Kilometer entlang einer stillgelegten Eisenbahn­strecke. Da lagen noch die Schienen, aber die waren schon ziemlich zugewachsen. Bei der glatten Gegend ohne großartige Hindernisse war es damals leicht, eine Bahnlinie zu bauen. Die konnte man ohne Kurven geradeaus in die Landschaft legen und mangels Tälern brauchte man nur etwas Material für einen Bahndamm. Schade, dass Personen- und Gütertransport per Bahn längst aus der Mode gekommen sind.
Ich war schon eine Weile unterwegs, da hat mich Winfried in einem zackigen Schritt mit seinem Wägelchen überholt. Respekt! Da immer wieder 20…30 cm tiefe, vom Wasser gegra­bene Rinnen schräg über den Weg verliefen, musste er wohl öfter mal seinen Wagen tragen.
Der Karte war zu entnehmen, dass erst in 13 km Entfernung der nächste Ort, Villanueva de Campeán, zu erwarten ist - ein Dorf der üblichen Größe, in dem man eigentlich mit einer Bar rechnen kann. Inzwischen gelüstete es mich längst nach einem Kaffee. Aber rings um die Kirche war nichts zu finden, was wie eine Bar aussah. Zwei Frauen, die ich daraufhin ansprach, zeigten in eine Gasse und machten Robert-Lemke-taugliche Handbewegungen, die auf einen Kaffeeautomaten schließen ließen. Die ältere der beiden hat mich dann, nachdem sie mir noch Zeit für eine Kirchenbesichtigung gelassen hat, durchs Dorf, vorbei an einem ganz neuen Spiel- und Sportplatz mit tollem Tartan-Belag, zu einem kleinen Vereins­haus geführt. Da stand die Tür offen, weil Handwerker dabei waren, neue Toiletten einzubauen. Im „Saal“, wo sich vermutlich jene treffen, die das bei uns im Feuerwehr­gebäude machen, war tatsächlich ein funktionierender Kaffee-/Snack-Automat und daneben ein Kühlschrank voller Bierflaschen. Obwohl eine Preisliste daneben hing (die 200-Milliliter-Ampulle für 1 €) und eine Geldkassette dastand, habe ich anstandshalber einen der Bauarbeiter gefragt, ob ich mich bedienen kann, und dann meinen Obolus in die schon gut gefüllte und trotzdem unbeaufsichtigt herum stehende Kassette gelegt.
Dem bezopften Spanier aus meinem letzten Quartier, den ich im Ort getroffen habe, habe ich gleich den dankend angenommenen Tipp weitergegeben. Nicht getroffen habe ich indes den Besitzer des weißen Sommerhutes, den ich auf einer Steinbank gefunden habe. Da hat offenbar ein Pilger Pause gemacht und ist ohne Hut weitergelaufen. Da den ganzen Vormittag keine Sonne schien, wird ihm das nicht so schnell aufgefallen sein. Vermutlich würde ich ihn irgendwann treffen. Und wenn ich ihm dann erzähle, dass ich 20 km zurück seinen Hut gesehen habe, dann hilft ihm das auch nicht weiter. Deshalb habe ich den Hut gut sichtbar an meinen Rucksack gebunden und mitgenommen.
Im nächsten, gut 5 km entfernten Ort, San Marcial, der zwar nicht direkt am Camino liegt, aber ohne großen Umweg zu erreichen ist, gab es endlich an der Straße eine Bar. Da konnte man nicht nur seinen Durst stillen, sondern auch mit einer Tortilla den Hunger bekämpfen. Dafür haben auch andere einen kleinen Umweg gemacht. Als ich eintraf, kam gerade Winfried raus, der sicher auch das Klo genossen hat, und als ich ging, kam der bezopfte Spanier, den ich endlich mal nach seinem Namen fragen muss.
Nach einem Stück entlang der Landstraße ging es links ab durch die Felder auf Zamora zu, das schon geraume Zeit am Horizont zu sehen war. Am Abzweig stand ein nachgemachter römischer Meilenstein, auf dem „Via de la Plata“ und irgendwas in arabischen Schriftzeichen stand. Daran lehnte ein Pilgerstab nebst Kalebasse aus Metall - noch nichts davon geklaut! Der Sockelinschrift war zu entnehmen, dass dieser Stein wie einige andere entlang des Weges von den „Freunden des Jakobsweges“ aus Zamora errichtet wurde. Noch viel besser als der Stein war die daneben befindliche Bank mit dem großen gelben Pfeil auf dem „Banco Peregrino“ stand - eine Pilgerbank, die man gelegentlich, aber viel zu selten findet. Weil diese Bänke aus Kunststoff und damit weder nass noch kalt sind, laden sie immer wieder zu einem kleinen Schläfchen ein. Da gerade die beste Zeit für des Spaniers Volkssport „Siesta“ war, habe ich von der Bank Gebrauch gemacht, nachdem ich Andreas und Bastian begrüßt habe, die mich hier eingeholt haben. Sie hatten ja einen Tag in Salamanca verbracht und sind dann am Morgen mit dem Bus nach Cubo del Vino gefahren und dort losgelaufen. Sie sind übrigens mit dem Bus am Gefängnis vorbei gekommen, von dem ich erzählt habe. Sie wussten zu berichten, dass man sich dort auch einen Pilgerstempel holen kann. Schade, dass ich nicht auf diese Idee gekommen bin.
Nach vollbrachtem Mittagsschlaf bin ich weiter. Es ging vorbei an einem Denkmal, das aus drei großen, mit Sprüchen versehenen Granitplatten besteht und symbolisieren soll, dass hier drei von verschiedenen Kulturen benutzte Wege aufeinandertreffen: Römerstraße, arabische Straße und christlicher Pilgerweg, wenn ich das richtig verstanden habe.
Von da aus ging es im Zickzack und über mehrere Hügel und Senken auf Zamora zu, das immer mal wieder verschwand und dann wieder, ein Stück größer geworden, erschien. Nach Stunden war endlich die auf einem mit hohen Mauern befestigten Berg liegende Stadt mit der alles überragenden Kathedrale in ihren Details erkennbar. Da verwies ein Schild darauf, dass (wie bereits bei Gronze zu lesen war) die Römerbrücke über den Douro, an deren anderem Ende die Pilgerherberge liegt, momentan wegen Bauarbeiten gesperrt ist. Stattdessen soll die nächstgelegene Straßenbrücke genutzt werden. Auf dem Weg dorthin kommt man in einer Parkanlage am Wasser an einer Freiluftgaststätte vorbei, von der aus man einen grandiosen Blick auf die Kathedrale und die darunter befindlichen Wassermühlen hat. Dieses Bild wollte ich mir nicht entgehen lassen, weshalb hier eine letzte Rast unumgänglich war. Als ich mich dann auf den Weg nach Zamora hinein gemacht habe, riefen Andreas und Bastian an und fragten, ob ich mich an einem selbstgekochten Abendessen beteiligen will, weil sie gerade beim Einkaufen wären. Da habe ich gern zugesagt, da ich in Anbetracht der Bilder einer ordentlichen Küche eh was brutzeln wollte.
Auf dem Weg zum Quartier habe ich mir noch die drei Wassermühlen angeschaut, die zu Füßen der Stadt im Rio Duero stehen - der übrigens als Duro in Porto in den Atlantik mündet. Um sechs war ich dann in der urigen Herberge, einem in einer Straßenkehre hoch zur Kirche San Cipriano gelegenen Haus. Da, wo auf der einen Seite der Eingang ist, ist auf der anderen Seite der zweite Stock. Von der Rezeption geht es eine Treppe runter zu den Schlafräumen und nochmal eine Treppe tiefer zur Küche mit Speiseraum. Leider ließ der gerade nicht richtig gut gelaunte Hospitalero nicht mit sich verhandeln und ich musste in einem schon mit fünf Männern (A&B, der Spanier mit Zopf, ein Engländer und ein Niederländer) belegten Zimmer ein Bett im Oberdeck nehmen, obwohl im Nachbarzimmer nur eine Frau war und ein dritter Raum noch leer stand. Es muss sogar noch einen vierten gegeben haben, denn in der App stand, dass es 32 Betten gibt. Das hat sich negativ auf meine Spendenfreudigkeit ausgewirkt, denn eigentlich hätte die Herberge inkl. Frühstück mehr als die in die Spendenbox geworfenen 10 € verdient gehabt. Ich habe nur schnell meine Sachen abgestellt und bin in das gleich nebenan gelegene Museum, das in einem nicht sehr großen, aber recht aufwändigen modernen Bau alles zeigt, was zwischen stein­zeitlichen Funden und moderner Malerei liegt. Als Rentner muss man da nicht mal den einen Euro Eintritt zahlen, da kann man mal schnell eine Runde drehen, auch wenn nur noch zwanzig Minuten bis zur Schließung sind. Wie sie damit die zwei Damen an der Kasse und die Aufsicht bezahlen, ist mir schleierhaft. Und das ist längst nicht das einzige Museum der Stadt. Da gibt es mindestens noch ein ethnografisches Museum und eins zur Semana Santa.
Um sieben haben wir uns in der Herberge zum Abendessen getroffen. Die beiden hatten schon einen sehr leckeren Salat mit Tomate, Thunfisch und schwarzen Oliven sowie für die Nudeln eine Soße aus den gleichen Zutaten kreiert. Leider hat das Nudelwasser ewig gebraucht, um auf Temperatur zu kommen. Dadurch war es schon halb neun, als wir mit unserem leckeren Mahl fertig waren. Da war nicht mehr viel Zeit für eine Stadtbesichtigung, denn um zehn wollte der unerbittliche Hospitalero die Tür abschließen. Ich habe es trotzdem geschafft, noch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten anzusteuern und zu fotografieren, was leicht möglich war, weil alles sehr kräftig beleuchtet wurde: Kathedrale, Castillo, diverse romanische Kirchen, den Plaza Mayor mit Rathaus und Polizeirevier, das Theater und einladende Gassen. Einfach großartig! Zu Recht wird im Wanderführer beklagt, dass Zamora gegenüber Salamanca, Mérida und Sevilla zurückstecken muss. Wegen der vielen romanischen Kirchen wird Zamora auch als spanisches Zentrum der Romanik bezeichnet.
Sehr bedauert habe ich, dass ich mich auf dem Weg nach Zamora nicht mehr beeilt habe, um noch die Kathedrale zu besichtigen. Wie Andreas und Bastian erzählt und mit Bildern bewiesen haben, besticht dieser romanische Bau nicht nur durch seine Größe, sondern auch durch seine Bemalung, die ich in diesem Umfang und in dieser Detailliertheit noch nicht gesehen habe. Ein guter Grund, nochmal herzukommen!

Via de la Plata - Tag 24