Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela
Tag 28 (So, 24.3.2024) Tábara - Santa Marta de Tera / 21,6 km
Heute war für 7 Uhr Frühstück angesetzt, da gab es keinen Grund, unanständig früh aufzustehen. Es war schon weit nach sechs, als die ersten ihren Zahn putzen gingen und erst zehn nach halb sieben hat dann jemand das Licht eingeschaltet. Das Frühstück war einfach: Kaffee, Orangensaft, Brot, Margarine und Marmelade. Da ich immer Wurst als Marmeladen-Ersatz dabei habe, ergab das ein vollwertiges Frühstück.
Um halb neun sind wir alle los, aber schon nach ein paar hundert Metern zog sich das Feld auseinander - ich habe wir immer die Nachhut gebildet. Es ging von der Herberge durch Tábaras Nachbarort Barrio de San Lorenzo nach Norden bis zum Camino, der dort ein Stück entlang der Schnellbahntrasse und dann über diese hinweg führt. Danach ging es lange ziemlich geradeaus durch Dehesas, in denen es vor ein paar Jahren gebrannt hat. Da stehen ganze Wälder verkohlter Korkeichen, aber zwischendrin findet sich immer mal eine, die überlebt hat und bei vielen abgestorbenen Bäumen wachsen im Wurzelbereich schon wieder neue Triebe. Auch der Boden ist längst wieder durchgängig grün. So gespenstig wie das im Moment noch aussieht - es wird nicht lange dauern, bis von allein wieder neue Bäume wachsen. Man muss dort nicht neu aufforsten, aber vielleicht die toten Bäume entnehmen, damit die neuen Platz und Licht haben.
Nach gut zehn Kilometern gabelte sich der Weg. Der rechte Abzweig gehört dem eigent­lichen Camino, der weiter durch pure Natur und vorbei an Bercianos de Valverde führt, wo es aber keinerlei Einkehrmöglichkeit gibt. Der linke Abzweig, der zu einem etwas größeren Ort, Villanueva de Tera, führt, ist eigentlich für die Radfahrer auf dem Camino gedacht. Aber heutzutage, wo man sich mal als Mann und mal als Frau fühlen darf, kann sich der Pilger auch mal als Radfahrer fühlen und den vermutlich gemütlicheren Weg nehmen. Wie erhofft war der nicht völlig kneipenfrei. In Villanueva fand sich direkt am Radler-Camino eine Bar, die in einem Schaukasten auf dem Tresen ein ganzes Sortiment an Tapas und Tortillas zu bieten hatte. Das passte gut zur Mittagszeit. Und da die Wirtin auch noch WLAN im Angebot hatte, habe ich da eine ganze Welle gesessen, Post erledigt und Bilder heruntergeladen, die in WhatsApp in den letzten Tagen aufgelaufen sind.
Ab Villanueva ging es auf der Landstraße weiter, vorbei an einer ganzen Reihe Bodegas, also Höhlen, die in den hier sehr weichen, lehmigen Boden gegraben wurden und zum Keltern und Lagern des Weins dienen. Vor manchen dieser mit Lüftungstürmchen ver­sehenen Hügel stehen auch Häuschen. Da kann man davon ausgehen, dass ein paar Hinterzimmer im Berg liegen.
Nach weiteren acht Kilometern kam der nächste Ort, Santa Croya de Tera. Bis dort hatte sich schon wieder Durst eingestellt. Da traf es sich gut, dass da am Sportplatz die Gaststätte offen hatte. Weil heute keinerlei Grund zur Eile bestand, bin ich nach der wohlverdienten Erfrischung noch in den Ort hinein, um einen Blick auf die (leider verschlossene) Kirche zu werfen. Der weitere Weg führte durch ein vom Rio Tera gegrabenes Tal, das üppig begrünt ist. Der Fluss ist zwar momentan breiter als üblich, nimmt aber längst nicht die Breite der ganzen Senke ein. Man hat aber vorsorglich die Straße auf langen Brücken darüber hinweg geführt. Hinter der letzten Brücke war schon Santa Marta de Tera, mein heutiges Tagesziel, erreicht. Eines der ersten Gebäude, auf die man dort trifft, ist die eindrucksvolle romanische Kirche aus dem 11./12. Jahrhundert, deren „Kirchturm“ (das übliche Stück Fassade mit zwei Glocken) nebenan auf dem Rasen steht. Das Einmalige an dieser Kirche, die jetzt ein lokales Museum birgt, ist die Jakobusfigur am rückseitigen Portal. Bei dieser Figur aus dem 12. Jahrhundert soll es sich um die älteste steinerne Jakobusdarstellung handeln. Die findet man hier auf vielen Prospekten und Plakaten.
Ein paar Meter hinter der Kirche befindet sich in einem vermutlich sehr alten, aber modern hergerichteten Haus die kommunale Pilgerherberge, die für 12 Personen ausgelegt ist. Es gibt zwei Schlafräume, sehr ordentliche Sanitäranlagen und eine gut eingerichtete Küche mit einem großen Aufenthaltsbereich, in dem sogar zwei Fernseher hängen - falls man sich nicht auf ein Programm einigen kann. Der schmale, sich nach hinten aber erweiternde Gang zwischen der Herberge und dem Nachbargrundstück ist überdacht und teilweise verglast. Er dient als Flur und im hinteren Ende als Wäschetrockenplatz. Dass es sich um ein sehr altes Haus handeln muss, sieht man eigentlich nur an den fast einen Meter dicken Wänden, die hoffentlich die nächtliche Kälte fern halten. Aber es hängen überall Heizkörper, mit denen man es sich ggf. kuschelig warm machen kann. Dem Sicherungskasten sieht man an, dass die Elektroinstallation (zwei Steckdosen je Doppelstockbett) ganz neu ist. Da braucht man also keine Angst zu haben, dass es dunkel wird, wenn jemand bei angeschalteter Heizung einen Wassertopf auf den Herd stellt.
Wir sind zu sechst in dieser noblen 5 €-Herberge. Die gleiche Belegung wie gestern, außer der Russin und dem Amerikaner. Letzterer ist weitergelaufen - er macht immer so um die 40 km am Tag …
Da hier im Ort keine Einkaufsmöglichkeit und außerdem Sonntag ist, haben sich alle was zu essen und zu trinken mitgebracht. Ich habe unter anderem ein paar Tütensuppen im Gepäck. Ich war immer der Meinung, dass ich gut Tütensuppen kochen kann, aber heute ging das daneben. Ich habe wie üblich einen Liter Wasser zum Kochen gebracht und den Inhalt der Tüte unter Rühren reingeschüttet. Dann habe ich aber gestaunt, dass in der Champignon­suppe ganze Pilze drin sind, bis ich geschnallt habe, dass dies große Klumpen sind. Nun habe ich die Tüte genauer untersucht und dank meiner Spanischkenntnisse in Erfahrung gebracht, dass man das Suppenpulver in einem viertel Liter kaltem Wasser anrühren und dann mit heißem Wasser auffüllen soll. Da war nicht mehr viel zu retten, denn auch mit Rühren und Quetschen ließen sich die Klumpen nicht in Suppe verwandeln. Ich bleibe wohl doch lieber bei Buchstabensuppe mit dem lateinischen Alphabet.
Den kulinarischen Vogel hat aber der Holländer abgeschossen. Der hat sich in den vom Engländer gekochten Bohnen-Erbsen-Eintopf die als Nachtisch gedachten Ananasstücke aus der Büchse gleich reingerührt. Das spart Geschirr und kommt ja doch in den gleichen Magen.

Via de la Plata - Tag 28