Unterwegs auf der Via Imperii, von Krostitz nach Leipzig (18.8.2022)

Ich genieße das Leben in vollen Zügen. Ich bin im RE 13 von Leipzig nach Magdeburg und habe einen ganz passablen Stehplatz direkt an der Klotür. Das sind heutzutage Drehtüren und man sollte sich da nicht anlehnen, sonst wird man herumgewirbelt, wenn jemand PiPi machen muss.

Von den Radfahrern auf dem Bahnsteig hat es wohl nur eine geschafft, die jetzt neben mir steht. Da muss ich aufpassen, dass ich beim Bremsen nicht in die Speichen komme.

Der Zug, der schon zu spät angekommen ist, kommt nicht vom Fleck, weil sie hier die gleiche blöde Automatik an den Türen haben, wie die neuen Busse in Berlin. Wenn da jemand zu dicht an der Tür steht, schließt die nicht und der Zug fährt nicht weiter. Der Zugführer sagt laufend durch, das man aus dem Türraum treten soll, aber nur auf Deutsch, was nur ein Bruchteil der Fahrgäste versteht. In Roßlau will ich in den RE 7 umsteigen. Ich hoffe, dass ich den nicht verpasse. Als geübter Bahnfahrer habe ich mich vorsorglich mit Wasservorräten eingedeckt, die auch über Nacht reichen würden. Eine Nacht auf dem Bahnsteig wäre doch ein krönender Abschluss der 4-Tages-Tour. Ich habe 13 Minuten zum Umsteigen und der Zug hat jetzt schon 16 Minuten Verspätung.

Jetzt sind wir in Bitterfeld, da fällt mir als Absolventen einer Polytechnischen Oberschule der Reim mit den wichtigsten ostdeutschen Chemiestandorten ein: „Leuna, Buna, Bitterfeld, Piesteritz und Böhlen“. Ob das noch weiterging, weiß ich gar nicht.

Noch ist es laut DB-Routenplaner möglich, in Roßlau den Anschuss zu schaffen. Zwischen­durch hat sich der Zug (ein dreiteiliger Triebwagen) mal beeilt, jetzt geht es aber wieder sehr gemäßigt vorwärts.

Ich bin nun doch schon (wie fast alle anderen) in Dessau umgestiegen, da waren 4 Minuten Zeit. Man kann je nicht wissen, ob sie den verspäteten RE 13, in dem ich saß, noch vor dem RE 7 fahren lassen. (Beide fahren zwischen Dessau und Roßlau auf der gleichen Strecke.) Hier im Zug gab es die Überraschung, dass der Halt in Ostkreuz wegen einer Bomben­entschärfung ausfällt. Das ist an sich nicht weiter schlimm, ich kann auch Ostbahnhof in die S-Bahn umsteigen. Aber ob die Ostkreuz passieren kann? Ich werde sehen.

Ich habe die Nacht im Krostitzer Pilgerzimmer nicht gut geschlafen. An der Couch hat es nicht gelegen, wohl eher an der Wärme, die mangels Wind nicht durch die kleinen Dachfenster weichen wollte. Vielleicht lag es aber auch an der koffeinhaltigen Brause, die ich aus der Kaufhalle mitgenommen habe, weil das die einzige zuckerfreie Limonade war. Ein Cola-/Fanta-Mix, absolut nicht mein Geschmack.

Ich bin halb sechs aufgestanden und war viertel sieben schon unterwegs. Die ersten Kilometer waren nicht schön, weil es immer am Fahrbahnrand lang ging. Kurz hinter Krostitz wäre ich fast über ein totes Rehkitz gestolpert, das offensichtlich angefahren und liegen gelassen wurde. Ich habe 110 angerufen und die Angaben auf der nächsten Bake durch­gegeben: „K7424, km 1,9“, aber der Freund und Helfer wollte eher eine prosaische Beschreibung des Fundortes. Mit „hinter der Kurve beim Funkmast“ hat er sich dann zufrieden gegeben. Zum Glück musste ich nicht die Ortsnamen an der Strecke buch­stabieren. Die sind doch sehr gewöhnungsbedürftig: Mutschlena wäre der nächste Ort gewesen. Da gackerte fröhlich eine ganze Meute Gänse hinterm Zaun am Straßenrand. Die schienen nicht zu wissen, dass bald Weihnachten ist. Ihre Vorfahren hatten übrigens eine noch geringere Lebenserwartung, die waren schon zum Martinstag fällig.

Der nächste Ort, Gottschena, ist überraschenderweise Ortsteil von Leipzig, die nach­folgenden Orte gehören hingegen zu Taucha.

In Gottschena ist Gottvertrauen angebracht, oder wenigstens ein guter Schutzengel angesagt, denn die Straße windet sich ohne Fußweg und manchmal mit kaum Platz zum Gartenzaun durch den Ort oder besser um den Ortskern herum, denn das ist ein noch ziemlich ursprüngliches Rundlingsdorf mit einer kreisrunden Dorfstraße um den Anger mit Kirche und Dorfteich, die nur eine einzige Verbindung zur vorbeiführenden Landstraße hat. An der von einem Friedhof umgebenen Dorfkirche fand sich ein schönes, schattiges Plätzchen für eine Pause. Lästig war hier nur der Flugverkehr, den wir Mehrower ja nicht mehr gewohnt sind. Schkeuditz mit dem Flughafen Halle/Leipzig ist nicht weit und die Flieger sind hier schon so tief, dass manche bereits das Fahrwerk ausgeklappt haben. Während ich da saß, war jedes zweite Flugzeug ein rot-gelber Postflieger von DHL. In Halle/Leipzig hat ja DHL sein deutsches Drehkreuz.

Nach Merkwirtz kommt Pleißig. Ab da geht es mehr oder weniger direkt an der Parthe entlang. Infotafeln nennen die nachfolgenden Ortschaften „Parthedörfer“. Der Weg unterquert dann die Autobahn und bald darauf ist man wirklich in Leipzig. Da liegt ein Netto am Weg und kurz danach findet sich an „Baggersee“, einer ehemaligen Kiesgrube, nicht nur ein Badestrand, sondern auch eine Gaststätte, die sogar schon offen hat, obwohl es noch Vormittag ist. Das Angebot ist verlockend und preiswert: alle Preise dreistellig, wozu die zwei Nachkommastellen zählen. Die Auswahl fällt schwer!

Weiter geht es fast bis ins Leipziger Stadtzentrum durch Parkanlagen entlang der Parthe. Schön! Auf der Bahnhofsrückseite sieht es allerdings ziemlich übel aus, in der Altstadt ist jedoch alles prima hergerichtet. Ich habe noch zwei Stunden Zeit mich umzusehen, bevor ich mich auf die Heimreise begebe.

Nun bin ich in Berlin am Hauptbahnhof. Wie es aussieht, fährt die S-Bahn trotz Bombenfund, allerdings ohne Halt in Ostkreuz. Ich werde wohl am Alex umsteigen.

Der nachfolgende Bildteil ist noch in Bearbeitung.

Via Imperii - Krostitz-Leipzig