Sonntag, 24.9.2023, von Lindenhardt nach Stierberg / 27,6 km

13.00 Uhr. Ich sitze in Pegnitz am Marktplatz in einem China-Imbiss und warte auf Nr. 42, Chop-Suey mit gebratener Hühnerbrust. Jetzt habe ich richtigen Hunger bekommen und bei dem leckeren Duft aus der Tür bin ich nicht vorbeigekommen. Viel hatte ich ja heute noch nicht gegessen: morgens ein Stück Kuchen, weil im Pfarrhaus versehentlich das Brot ausgegangen war, und unterwegs ein Croissant mit Schinken und Käse, das ich vorgestern Abend im Norma erstanden habe und das noch richtig luftig und lecker war. Sowas kann man als Wanderproviant empfehlen.

Ich bin gestern um 17 Uhr aus eigener Kraft am Pfarrhaus von Lindenhardt angekommen und von Pfarrer Severin Wagner sehr herzlich begrüßt worden. Das ist noch ein junger Mann, der gerade mit dem Studium fertig ist und hier vor drei Wochen seine erste Pfarrstelle bekommen hat. Er hat mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern gerade erst das renovierte Pfarrhaus bezogen und sie leben praktisch noch aus Umzugskartons. Es fehlen noch Gardinen, Möbel usw., aber es mangelt nicht an Freundlichkeit und Nächstenliebe. In einem Raum im Erdgeschoss, wo der prunkvolle Kronleuchter noch in der Ecke steht, habe ich eine Matratze aufgebaut bekommen - mehr braucht man ja nicht, wenn man auf Pilgerschaft ist.

Während seine Frau noch die Teigrollen fürs die abendlichen Canelones füllte, hat mir Severin die Kirche gezeigt und viel über das Bauwerk und über das, was ihn hier erwartet, erzählt. Heute hatte er dort seinen ersten Gottesdienst. Aufregung hat man ihm nicht angemerkt, aber er wollte heute früh vor dem Gottesdienst, in dem die diesjährigen Konfirmanden vorgestellt werden, noch etwas vorbereiten und hat darum gebeten, dass wir schon um sieben frühstücken. Das war mir recht, denn ich wollte der anstehenden 25 km wegen zeitig los. Gern wäre ich bei seinem ersten Gottesdienst dabei gewesen, aber dann hätte ich wie am Mittwoch wieder einen Eilschritt einlegen müssen.

So konnte ich heute den Weg gemächlich angehen und vorhin sogar in Buchau einem kleinen Kneipenschild in einen Wohnzimmer-großen Raum mit umlaufender Sitzbank und vier Tischen folgen, in dem 6 Herren saßen, vier miteinander schwatzend und zwei trüb­sinnig vor sich hin schauend. Zwei weitere sind gerade rausgekommen und ins Auto gestiegen. Ich habe einfach mal so in die Runde geworfen, dass ich an einem Bier interessiert sei, da erhob sich schwerfällig ein Herr und ging an einen Schanktisch in Campingküchenformat, der von mir völlig übersehen in einer Zimmerecke stand. Und tatsächlich kam da aus dem Zapfhahn Bier: ein einheimisches „Böheim-Bier“, das durchaus trinkbar war und mich nur 2,70 € gekostet hat. Zu erwähnen sei vielleicht noch die Computer-Ecke im Gastraum, die so zugemüllt wäre, dass ich gar keine Tastatur gesehen habe, und der bullernde Kaminofen, der bei den derzeitigen Morgentemperaturen durchaus angebracht ist.

20.00 Uhr. Ich bin vor einer halben Stunde in Stierberg, einem Ortsteil von Betzenstein angekommen. Das wurde auch höchste Zeit, weil zuletzt der Weg im dichten Tann nur noch zu erahnen war. Hier im Gasthof Fischer ist noch ordentlich Betrieb. Einige Gäste wohnen sicher im Haus, andere haben hier nur den Sonntag ausklingen lassen. Ich habe hier ein Bett auf dem „Dachboden“, das heißt, in dem zur 12-Betten-Herberge ausgebauten Spitzdach einer großen Garage. Da stehen die Betten in zwei Reihen, jedes mit Lichtschalter, Steckdosen und Spind. Dazu für jeden Decken und Handtücher - geschlafen wird im Schlafsack. Zu meinem großen Erstaunen waren dort bereits mindestens fünf Betten belegt. Aus den herumliegenden Utensilien ist zu schließen, dass unter meinen Mitschläfern einige Bergsteiger sind. In dieser Gegend gibt es wohl ein paar Kletterfelsen.

Ich habe mich heute weitestgehend an den ausgeschilderten Weg gehalten, der sich als sehr abwechslungsreich erwies. Mal Wald, mal Feld, dann mal wieder ein Stück Straße. An größeren Orten gab es eigentlich nur Pegnitz. Das ist immerhin Kreisstadt. Ein hübsches Städtchen mit einer zum Markt erweiterten Hauptstraße, die sich einen Berg hochzieht. Gleich vorne an die sehenswerte St. Bartholomäus-Kirche mit einem sehr figürlichen Hochaltar, Deckenmalerei und teilweise farbigen Fenstern. Schön anzusehen. Für die St. Jakobus-Kapelle, die mich interessierte, hätte man sich den Schlüssel im Pfarramt holen müssen, wo heute natürlich niemand war.

Die nächstgelegene Jakobuskirche wäre in Bronn gewesen, den Ort habe ich aber nur gestreift. In Hüll gab es nochmal eine offen stehende Kirche mitten auf dem Friedhof, die sehr schlicht, aber ansprechend war. Da bin ich aber nur durchgekommen, weil ich auf dem letzten Stück den vom Routenplaner vorgeschlagenen Weg genommen habe, der zwischen dem in der Karte (GPS-Track) eingezeichneten „Fahrrad-Jakobsweg“ und dem ausge­schilderten „Fuß-Jakobsweg“ verläuft. Bis auf ein Stück Landstraße läuft der sich gut. Auf der Landstraße ist übrigens (wie Hape schon erkannt hat) ein Pilgerstab ganz nützlich. Läuft man ohne, dann halten manche Kraftfahrer auf einen zu, wenn Gegenverkehr ist und man muss oft ins Bankett treten. Läuft man mit Stock, dann bremsen sie aus Angst, der Stock könnte beim Aufprall den Lack beschädigen.

22.00 Uhr. Ich habe mich ganz leise in das Nachtlager geschlichen, weil ich dachte, die anderen schlafen schon. Der Tisch auf der Terrasse, den ich als Bergsteiger-Tisch angesehen habe, war leer. Als ich mich in Scheine meiner Smartphone-Taschenlampe zu meinem Bett schleiche, merke ich, dass noch alle Betten bzw. die darauf ausgebreiteten Schlafsäcke leer sind. Ok, da konnte ich Flutlicht einschalten und in Ruhe meinen Kram ausbreiten. Etwas später kamen nacheinander die Vermissten, bisher drei Damen und zwei Herren, alle vom Berliner Kletterclub, der einmal im Jahr nach Franken fährt. Ich musste mich auch gleich belehren lassen, dass es sich nicht um Bergsteiger, sondern um Kletterer handelt. Dafür, dass das ein Club-Ausflug ist, ging das hier eben sehr ruhig ab: Hose runter, Pullover aus, rein in den Schlafsack und Schlafen. Ich hatte erwartet, dass hier noch lange gequatscht und gelacht wird. Soll mir recht sein. Gute Nacht.

Via Imperii - Lindenhardt-Stierberg