Unterwegs auf dem Camino del Norte
Von Bilbao nach Ontón

Tag 7 (Sonntag, 12.3.2023) von Bilbao nach Ontón

Sonntag, 8.15 Uhr. Im Hostel war auch nachts noch Betrieb, um 3 Uhr hockten da noch welche rum, die wahrscheinlich aus irgendeiner Kneipe kamen. Die Ärmsten, die müssen ganz erschöpft gewesen sein, weil das Hostel ziemlich weit oben am Berghang liegt. Ich bin um sechs aufgestanden und um sieben los. Auf das Frühstück habe ich verzichtet, das hätte es erst ab acht gegeben. Stattdessen sitze ich in der Nähe des Guggenheim-Museums, das ich mir wenigstens von außen ansehen will, in einer Bäckerei bei einem köstlichen „Café con leche“. Hier habe ich mich auch mit einem frischen halben Baguette eingedeckt, denn ich schleppe allen möglichen Belag, Schinken, Chorizo und Käse mit mir rum.

Ich hatte mir eingebildet, dass ich vielleicht heute früh in der hiesigen Sankt-Jakob-Kathedrale einen Sonntagsgottesdienst abfassen kann. Aber der ist erst um zwölf und dann abends noch einer. Während der Herr Pfarrer noch schläft, sind die Jungs von der Müllabfuhr schon fleißig. Und viele Trupps, die mit einem dicken Wasserstrahl die Straßen abspritzen. Es ist schon jetzt nicht mehr zu sehen, dass hier gestern, am Samstagabend, wahrscheinlich überall viel gefeiert wurde. Um halb acht habe ich noch welche aus Bars kommen gesehen. Was auffällt, ist die viele Polizei zuzüglich Guardia Civil, die hier Streife fährt. Hundebesitzer legen schnell das Halsband an, wenn eine Streife naht.

10.00 Uhr. Ich habe mir inzwischen von außen das Guggenheim-Museum angeschaut. Das ist ja wirklich ein eindrucksvoller Bau, besonders wenn jemand die Nebelmaschine anwirft, die dann den Bau von unten her langsam verhüllt. Mit den architektonischen Meisterwerken war‘s dann aber auch schon. Einiges, was da noch folgt, fällt in die Kategorie „Alexa“. Ich sitze jetzt in den ersten zaghaften Sonnenstrahlen. Eine schöne Promenade zieht sich hier über viele Kilometer am Fluss hin. In Bilbao stand ich vor der Wahl, welche der beiden Wegvarianten nach Portugalete ich nehmen soll: 19 km durch die zwar nicht sehr hohen, aber häufigen Berge, oder 13 km immer am Fluss entlang, ohne jeden Höhenmeter. Da habe ich mich doch ganz schnell für die Variante am Fluss entschieden, zumal die Berge zum Teil immer noch in Nebel gehüllt sind und es dort vielleicht noch so feucht ist, wie heute früh in der Stadt.

Die schöne, breite Promenade entlang des Flusses reichte bis nach Getxo, dem letzten Ort auf der rechten Seite des Flusses. Das sind 13 km und mir wurde langsam warm, weil die Sonne stets ein Loch in den Wolken fand. Jetzt sind 20 Grad, 23 sollen es noch werden. An einem Sonntag bei solchem Wetter ist die Promenade auf der ganzen Länge dicht bevölkert, mit Fußgängern, Joggern und Radfahrern. Nur Pilger oder Wanderer mit Rucksack habe ich keine gesehen. Meine Kameraden sind mir abhandengekommen. Ich bin gespannt, ob und wo ich sie wiedertreffe. Von Getxo nach Portugalete auf der anderen Seite des Flusses kann man mit einem kleinen Fährboot fahren oder (viel spannender) für 50 Cent die älteste Schwebefähre der Welt (1893) benutzen. Die pendelt immer hin und her und funktioniert automatisch, vermutlich auf Knopfdruck des Kassierers, der die maximal 6 Autos und die Radfahrer abfertigt. Die Fußgänger müssen sich am Automaten ein Ticket kaufen und durch die üblichen Bahnsteigsperren in einen Warteraum. Wenn die Fähre angelegt hat, geht erst die Schleuse für die Aussteigenden auf. Erst wenn alle raus sind, öffnet die Tür des Warteraums. Türen und Schranken der Fähre funktionieren natürlich auch automatisch.

Gleich hinter der Fähre habe ich endlich meine Muscheln zu essen bekommen - in einer kleinen Kneipe, in welcher der Tresen mit allem denkbaren Meeresgetier bestückt war. Sie waren wirklich lecker, aber außer den Muscheln selbst wurde kein Werkzeug geliefert. Man musste also erstmal eine essen, um mit der leeren Schale bei den anderen das Fleisch rauszulösen. Dann werden die mit Tunke versehenen Muscheln ausgeschlürft. Die restliche, ziemlich scharfe Tunke wird mit dem dazu gelieferten Weißbrot aufgesaugt. Ich habe mich geärgert, dass ich, weil ich nicht so recht wusste, was mich erwartet, nur eine kleine Portion (3 €) genommen habe.

20.30 Uhr. Ich muss mich kurzfassen, um den Akku zu schonen, weil mal wieder eine Nacht im Freien ansteht. Die einzige Herberge weit und breit war zu, obwohl sie definitiv offen haben sollte und auch nichts anderes dranstand. Beim Anruf wurde mir nur gesagt, das halt geschlossen ist. Da ich nach 32 km keine Lust hatte, noch weit zu laufen, musste ich mich vor Ort nach einer Bleibe umschauen. Die erste Bushaltestelle war zwar gut verglast, aber mitten im Dorf und nah am Hundegebell. Ein Herr, den ich um einen Tipp gebeten habe, hat mich zum Kindergarten geführt, der eine überdachte Terrasse hat, aber nur Stühle mit Sitzschalen, auf denen man nicht schlafen kann. Da bin ich hoch bis zur Tankstelle an der Autobahnzufahrt. Ich glaubte, da gäbe es vielleicht überdachte Rastplätze. Fehlanzeige. Gegenüber, direkt an der Straße ist aber eine steinerne Bushaltestelle. Die habe ich auserwählt, aber sie war schon belegt: Antoine. Da es aber zwei Bänke gibt, können wir hier auch gut zu zweit nächtigen. Die Tankstelle gegenüber gibt Sicherheit, Einkaufsmöglichkeit und Klo. Alles bestens. Morgen mehr und auch ein paar Bilder. Gute Nacht.

Camino del Norte - Tag 7