Unterwegs auf dem Camino del Norte
Von Ontón nach Hazas

Tag 8 (Montag, 13.3.2023) von Ontón nach Hazas

Die Nacht in der Bushaltestelle war nicht so schlimm wie gedacht, da nachts noch etwa 10 Grad waren. Eine Isomatte wäre allerdings sehr angebracht gewesen, denn die steinerne Bank war doch ziemlich hart und kalt. Ich habe mir alle möglichen weichen Sachen untergelegt. Dann war es auszuhalten, aber nach jeder Drehung musste alles neu arrangiert werden. Dummerweise kam nachts um 11 Uhr heftiger Sturm auf und laufend flog mir was weg. Ich glaube, ein Handtuch habe ich dauerhaft eingebüßt. Beim nächsten Mal muss ich alle „Weichmacher“ mit in den Schlafsack nehmen. Mitten in der Nacht gesellte sich noch Quentin zu uns. Der hatte sich nebenan in einer ausgedienten Imbissbude niedergelegt und ist dort geflüchtet, weil der morsche Boden nachgab. Für ihn gab es nun zwar keine Bank mehr in der Bushaltestelle, aber mit einer Isomatte auf dem Boden ging es auch.

Um sechs war ich hellwach und habe überlegt, ob ich trotz der Dunkelheit schon aufbreche. Aber nun wollte ich die beiden auch nicht ohne Verabschiedung zurück lassen. Ich habe mich nochmal umgedreht und bin offenbar wieder eingeschlafen, denn als ich mich wieder umschaute, war es halb acht und schon hell. Ich bin rüber zur Tankstelle aufs Klo und hab von dort drei Cola-Büchsen mitgebracht. Damit konnten wir unser Frühstück aus dem Rucksack gut komplettieren. Halb neun sind wir los und zwar gleich auf der Küstenstraße weiter nach Castro Urdiales und nicht den Berg runter zurück ins Dorf und dann im Zickzack über den Berg. Das hat etwas Zeit und ein paar Höhenmeter gespart. Und da auch hier vereinzelt gelbe Pfeile klebten, kann das nicht verwerflich sein.

In der ersten Bar an der Straße haben wir auf der Terrasse einen Kaffee getrunken und während die Beiden dort noch in der Sonne sitzen blieben, bin ich schon mal weiter. Die holen mich bestimmt bald ein. Aber noch warte ich vergeblich in einer Kneipe am Weges­rand, wo ich Smartphone und Powerbank aufladen kann. Und da man ja sowas nicht macht, ohne Umsatz zu bescheren, habe ich mir ein Fläschlein leckeres „Alhambra Reserva 1925“ kommen lassen. Schade, irgendwann wird das Smartphone voll sein …

15.30 Uhr. Heute wird es wohl wieder ein langer Tag werden. Ich will nach Hazas (Liendo), wo die Herberge sicher geöffnet ist, wenn der angeblich im Haus wohnende Wirt nicht verstorben oder im Krankenhaus ist. Bis dahin sind es noch 11 km, also 2,5 Std. Ich muss aber mal eine Pause einlegen, schon um das Smartphone wieder zu laden und weil hier anscheinend gleich ein Gewitter runter geht. Das warte ich lieber in dem recht ordentlichen „Restaurante La Abiela Santa“ ab. Hier riecht es auch gut nach Essen, aber wenn ich mir hier den Bauch vollschlage, komme ich gar nicht voran. Außerdem habe ich noch Proviant im Rucksack, der mir dann vergammelt.

An Wegen war heute von allem was dabei. Die ersten Kilometer gingen, wie selbst gewählt, immer an einer Fernstraße ohne Randstreifen entlang, dann gab es kaum befahrene Ortsverbindungsstraßen, oft parallel zur Autobahn, und zuletzt einen Holperweg über ausgewaschenen Kalkstein und über eine große Wiese oben auf den Klippen. Das hätte auch Irland oder Schottland sein können. Gestern war der Weg noch komfortabler: bis Portugalete auf der Uferpromenade, dann über einige Kilometer auf einer Asphaltpiste mit zwei Rad- und einer Fußgängerspur. Danach mal für ein kurzes Stück das Übliche und zum Schluss eine kaum befahrene Straße in gutem Zustand. Die Höhenunterschiede halten sich jetzt auch in erträglichen Grenzen.

Seit gestern bin ich übrigens in Kantabrien, das Baskenland liegt also hinter mir. Den Wechsel hat man nur daran gespürt, dass plötzlich keine Straßenschilder mehr zweisprachig sind und dass die hölzernen Stelen „Camino de Santiago“ fehlen. Dafür gibt es hier, wenn auch nur sehr sporadisch, kleine, oben abgeschrägte Betonstelen mit der Jakobsmuschel und einem Pfeil. Denen werde ich jetzt mal trotz Regen weiter folgen, damit ich noch im Hellen ankomme.

Das letzte Stück des Weges hat sich ganz schön hingezogen und ich bin klatschnass geworden. Als ich aus der Gaststätte raus kam, hat es nur genieselt, aber der Regen wurde schlimmer und bald goss es. Da war es denn eh zu spät den Poncho rauszuholen. Bis auf die Knochen nass bin ich um viertel acht in Hazas angekommen und habe auch gleich die Herberge gefunden - aber nur weil ich Leute danach gefragt und ein Bild des Hauses gesehen hatte, denn in der Karte ist sie nicht verzeichnet. Erstaunt war ich, dass drinnen gerade Antoine und Quentin mit der Dame am Tisch saßen, welche die Personalien aufnimmt (einen Hospitalero, der die ganze Zeit da ist, gibt es hier nicht, auch keinen hier wohnenden Herbergsbesitzer, da es eine kommunale Herberge ist). Ich dachte, die wären schon viel früher hier angekommen. Wir sind vermutlich in Castro Urdialis, einer sehr hübschen Hafenstadt mit Burg und Kirche auf einer Halbinsel, aneinander vorbei gelaufen. Wir haben für die sehr ordentliche kommunale Herberge mit voll ausgestatteter Küche jeder 8 € bezahlt, inklusive Waschmaschinennutzung, was sonst meist schon 3 € kostet. Das kam mir sehr gelegen, da ich schon den Wäschesack voll durchgeschwitzter Sachen hatte. Leider gibt es keinen Trockner, so dass man nur hoffen kann, dass morgen alles wenigstens so trocken ist, dass es verpackt werden kann. Außer uns ist übrigens niemand hier.

Camino del Norte - Tag 8