Unterwegs auf dem Camino del Norte
Von Boo de Piélagos nach Caborredondo

Tag 11 (Donnerstag, 11.3.2023) von Boo de Piélagos nach Caborredondo

Im letzten Quartier war Frühstück im Preis enthalten, aber erst zu 8 Uhr angesagt. Das ist mir eigentlich immer etwas spät. In der Hoffnung, dass ich schon etwas eher einen Kaffee fassen und dann aufbrechen kann, bin ich schon eine halbe Stunde früher in den Frühstücksraum. Vergebens, der Wirt kam erst drei Minuten vor acht. Aber dann ging es ganz schnell. Binnen weniger Minuten standen warmes Toastbrot, kleine Croissants, Kuchen, Orangensaft und richtige Butter (!) auf dem Tisch, außerdem natürlich Marmelade, die ich gleich weggeschoben habe. Wenn‘s richtige Butter gibt, brauche ich nichts drauf. Kaffee gab es nach Wahl. So bin ich schon am Morgen zu einem „Café con leche“ gekommen. Und sogar noch einen zweiten. Zusammen mit meinen zwei Zimmergenossen habe ich Karte und Herbergsliste studiert, um zu sehen, wo wir abends unser Haupt niederlegen können. Da in deren „Buen Camino“-App einige Herbergen als geöffnet gelistet waren, die bei mir als geschlossen aufgeführt waren, hat Alessandro dort angerufen. Leider stimmte meine „Gronze“-Liste: die machen alle erst am 1. April auf. Da bleibt in Santillana del Mar nur eine übrig, die wir ansteuern werden, wobei ich die beiden laufen lasse und langsam hinterher schleichen werde.

Boo, wo wir übernachtet haben, ist vom nächsten Dorf auf dem Weg durch ein kleines Flüsschen getrennt, über das nur eine Eisenbahnbrücke führt. Erst ein ganzes Stück entfernt gibt es eine Straßenbrücke. Es wird hier dringend empfohlen, eine Station mit der Regional­bahn zu fahren, da das Überqueren der Eisenbahnbrücke zu Fuß lebensgefährlich und deshalb strengstens verboten ist. Wer das trotzdem macht, muss damit rechnen, dass er zur Strafe ein paar hundert Meter weiter auf einem gut mit Leitplanke und Geländer gesichertem, aber schlecht gepflasterten Fußweg lang hinstürzt und sich dabei die Rübe aufschrammt. Ich weiß, wovon ich rede.

16.00 Uhr Ein kleines Päuschen sei erlaubt. Seit dem letzten Halt führte der Weg lange entlang einer Straße, dann mal durch etwas heruntergekommene Gewerbegebiete und schließlich in Torrelavega an einer großen Chemiefabrik vorbei. Erst danach trennte sich der Weg von der Straße. Dann ging es endlich wieder durch kleine Dörfer und vorbei an vielen einzelnen Gehöften. Links am Horizont sind zwei Bergketten zu sehen. Eine bewaldete und dahinter eine mit schneebedeckten Gipfeln. Die konnte ich leider nicht so richtig aufs Foto bannen, da es bis vor ein paar Minuten sehr bedeckt war und durch den hellen Randstreifen der Wolke alles im Gegenlicht lag, egal, in welche Richtung man knipste. So sind auf den Bildern wahrscheinlich auch nicht die dicken Rauchwolken zu sehen, die über einem der bewaldeten Hügel aufsteigen. Jetzt weiß ich, warum vorhin die Sirene ging. Hier ist wohl schon die Waldbrandsaison ausgebrochen.

Irgendwann tauchte plötzlich eine schon von weitem mittelalterlich aussehende Stadt auf: Santillana del Mar. Irre. Da gibt es fast ausschließlich Häuser aus dem Mittelalter und dazu passendes Straßenpflaster. In den Häusern jede Menge Restaurants, noble Hotels und Souvenirläden. Da unzählige Sorten Schokolade angeboten wurden, muss die Stadt mal was damit zu tun gehabt haben. Zum Glück für den Fotografen waren nur wenige Touristen unterwegs, so dann man mitunter völlig leere Straßen fotografieren konnte. Die Stadt erinnert mich an Lannion in der Bretagne, wo Antoine herkommt, den ich heute noch gar nicht getroffen habe.

Kurz nach zwei war ich ca. 3 km vor Santillana am Abzweig zu jenem Dorf, in dem wir uns heute früh eine Herberge ausgesucht hatten. Das war mir viel zu früh, um die Beine hochzulegen. Da habe ich nochmal die Herbergsliste studiert und eine ca. 6 km hinter Santillana gefunden, die gestern (15. März) geöffnet hat. Ein Anruf ergab, dass wirklich offen ist. Dahin bin ich jetzt auf dem Weg, in einer Stunde sollte ich da sein.

Nach dem letzten Stop in einer netten Gaststätte auf dem Berg waren es wirklich nur noch wenige Kilometer zur „Albergue de Peregrinos Izarra“, wo ich nach meinem Anruf bereits von Julia erwartet wurde. Sie ist Italienerin und hat vor zwei Jahren diese Herberge, in der sie auch wohnt, gekauft und renoviert. Jetzt betreibt sie die 16-Betten-Herberge auf Spenden­basis. Ich war nicht wenig überrascht, als sie mich fragte, ob ich im Erdgeschoss bei Alex und Alejandro schlafen will. Die beiden hatten exakt die gleiche Idee wie ich, nämlich dass es sinnvoll wäre, sich ein Stück hinter Santillana was zu suchen, statt sich schon am frühen Nachmittag in einer Herberge vor der Stadt ins Bett zu legen. A & A waren auch nicht wenig überrascht, als ich in der Tür stand. Wir teilen uns jetzt die drei Doppelstockbetten im Erdgeschoss mit Blick durch eine große Schaufensterscheibe nach draußen, allerdings nur auf den Parkplatz auf der Rückseite des Hauses. Außer uns ist nur noch der Freund der Wirtin, Pascal aus der Schweiz, und eine Französin, Florine aus den Ardennen, hier. Die ist wohl auch eine Bekannte der Wirtin und ist mit Auto und Hund da - einem ganz braven, großen, weißen mit schwarzen Flecken. Ich denke, es ist ein Dalmatiner. Sie ist bereitwillig ins Obergeschoss, das heißt, auf die auf dicken Balken ruhende Empore mit 5 weiteren Doppelstockbetten gezogen, damit ich bei A & A schlafen kann.

Das Abendessen, das Julia mit Florines und Pascals Hilfe bereitet hat, war prima. Nudeln und Linsen zum Mischen sowie alle möglichen Salate, wobei der Fenchel-Salat nicht unbedingt mein Geschmack war. Dazu gab es einen „Vino Tinto“ und interessante Gespräche, die fast ausschließlich auf Englisch geführt wurden, was alle außer mir perfekt beherrschen. Alex hat zum Beispiel erzählt, dass er, bevor er in Bilbao auf den Camino gegangen ist, in Sevilla Urlaub gemacht und dort seine Fallschirmspringer-Lizenz erworben hat. Und zwar die amerikanische, die es im Gegensatz zur deutschen erlaubt, überall und aus jeder Höhe zu springen. Er hat uns ein Video von einem seiner Sprünge gezeigt - das ist nichts für schwache Nerven. Jetzt um halb zehn sind schon alle in den Betten, da werde ich mich nun mal auch hin begeben.

Camino del Norte - Tag 11