Unterwegs auf dem Camino del Norte
Von Caborredondo nach San Vicente de la Barquera

Tag 12 (Freitag, 17.3.2023) von Caborredondo nach San Vicente de la Barquera

Der Tag begann heute um halb acht mit einem gemeinsamen Frühstück. Da stand ein ganzer Tisch voller Sachen, die man heute „Cerealien“ nennt, außerdem warme Toast- und Baguettescheiben. Letztere konnte man mit guter Butter versehen auch ohne jeden Belag verzehren. Als die Frage kam, ob jemand ein gekochtes Ei haben will, gingen alle Arme hoch. Also hat jeder zwei bekommen. Frisch gebrühter Kaffee hat das Ganze abgerundet. Zum Abschied hat Julia uns drei Pilger nochmal herzlich gedrückt. Es war hier eine wirklich schöne Atmosphäre, für die wir uns in der Spendenbox bedankt haben. Ich habe Alex und Alejandro ziehen lassen. Die machen ja fast doppelt so große Schritte wie ich. Vermutlich werden wir uns heute Abend wiedersehen, denn wir haben alle San Vicente de la Barquera als Ziel anvisiert, wo es eine 10-Euro-Pilgerherberge gibt. San Vicente liegt ca. 11 km hinter Comillas, wo ich gleich bin, also durchaus schaffbar. Entgegen der Etappenplanung im Reiseführer, nach der ich die Dauer meiner Reise bemessen habe, habe ich schon 2,5 Tage rausgearbeitet. Wer weiß, wofür man die gebrauchen kann. Beim Camino Francés hatte ich eine Woche Hospital eingeplant, hier nicht.

20.00 Uhr. Ich bin kurz nach sechs in der Pilgerherberge von San Vicente de la Barquera angekommen. Später als gedacht, aber ich habe in Comillas eine längere Pause gemacht. Das ist auch eine ganz nette Stadt mit vielen alten Häusern, aber längst nicht so schön wie das mittelalterliche Santillana. Aber zumindest heute war dort viel mehr Betrieb, da Markttag war. Eigentlich war ich nach dem guten Frühstück noch gar nicht hungrig, aber da bei einigen Gaststätten draußen auf der Speisekarte unter „Raciones“ meine geliebten „Mejillones do vinagreta“ (Muscheln mit Vinaigrette) angeschlagen waren, habe ich nicht widerstehen können und mich in einer dieser Gaststätten niedergelassen. In Portugalete an der Seilfähre hatte ich sehr gute gegessen und es bedauert, nur eine kleine Portion genommen zu haben. Jetzt habe ich bei „Raciones“ eine Ration erwartet, von der man satt wird. Es kam jedoch ähnlich viel wie damals, aber dreimal so teuer (8,50 €) und nur halb so gut. Hinterher tat es mir um die Zeit leid, zumal ich durch die lange Mittagspause noch was vom Regen abbekommen habe.

Es hat wohl jeder schon mal in den Bergen erlebt: bei strahlend blauem Himmel schiebt sich langsam eine dunkle Wolke über die Berge und binnen weniger Minuten ist der ganze Himmel dunkel und es gibt ein Unwetter oder zumindest Regen. Hier war es nur Regen und der war auch nicht sonderlich stark. Ich habe unter dem Vordach einer geschlossenen Zeltplatzgaststätte Zuflucht gesucht, bin nur leider zu früh aus meinem Versteck gekrochen, denn es kam dann ganz kurz ordentlich was runter, bevor schlagartig Schluss war und ein grandioser Regenbogen über dem Meer stand. Während ich in meinem Versteck saß, ist jemand vorbei gezogen, den ich zwar als Pilger klassifizieren, aber nicht identifizieren konnte. Ich bin ihm in 50 Meter Abstand gefolgt und habe ihn dann aus dieser Entfernung an der Selfie-Pose vor der grandiosen Küste erkannt: Björn aus Frankfurt. Wir hatten uns in Santander verloren, wo er Quartier hatte und ich noch ein Stück weiter gezogen bin. Der ist allein gestern 41 km gelaufen und glaubte, dass ich weit vor ihm sei. Welch athletischen Eindruck ich doch hinterlasse! Nachdem er nun wiederholt teure Unterkünfte hatte, hat er sich schnell überreden lassen, mit in die Herberge von San Vicente zu kommen. Da waren schon Alex und Alejandro - mit beiden ist Björn schon mal ein Stück gelaufen. Kaum habe ich mein (schon bezogenes) Bett in Beschlag genommen, tritt Quentin in die Tür, den ich inzwischen auf einem ganz anderen Weg geglaubt habe. Und eine halbe Stunde später kommt Paul, der Lehrer aus Speyer rein, der mit in der Herberge Güemes war. Nun fehlt eigentlich nur Antoine, der aber mit seinem Mini-Zelt irgendwo unterwegs gesichtet wurde. Im ganzen Schlafsaal, der sich ja nun ganz gut gefüllt hat, sind damit nur zwei (noch) Unbekannte.

Camino del Norte - Tag 12