Unterwegs auf dem Camino del Norte
Von San Vicente de la Barquera nach Pendueles

Tag 13 (Sonnabend, 18.3.2023) von San Vicente de la Barquera nach Pendueles

14.00 Uhr. Es regnet heute schon den ganzen Tag, mal mehr oder weniger. Jetzt hat es gerade wieder stärker angefangen, darum bin ich in ein offenstehendes Treppenhaus geflüchtet, wo ich es mir auf der Treppe bequem gemacht habe. Ich wollte eh mal eine Pause machen. In der Herberge war heute lange Stille. Erst um sieben regten sich die ersten. Einer der beiden Schlafsäle ist gestern noch fast voll geworden, denn es kam noch eine Gruppe von fünf spanischen Mädels. Die hatten zwar alle schwere Rucksäcke, aber ob sie auf dem Jakobsweg unterwegs sind, habe ich nicht mitbekommen. Etwa um acht bin ich los. A & A, Björn und Paul sind fast zeitgleich gestartet, aber in Richtung Ort abgebogen, vermutlich, um erst mal einen Kaffee zu trinken. Ich habe das im nächsten Dorf gemacht.

Schon die ersten Meter von der Herberge durch eine Siedlung zur Autobahnbrücke gingen in die Beine. Und hinter der Brücke ging der Weg weiter hoch bis zu einer Bergkuppe, von der man die „Picos de Europa“ (= Gipfel Europas) bestimmt gut sehen konnte, sofern sie nicht im Schatten dichter Wolken lagen, wie das heute der Fall war. Nur für ein paar Sekunden fiel da mal Licht durch eine Wolkenlücke auf die schneebedeckten Berge. Hinter der Brücke bog gleich rechts ein Weg ab, der auf einer Tafel als kürzere Jakobswegvariante ausgewiesen wurde. Da der flach zu verlaufen schien, habe ich diesen statt des Wegs hoch auf die Bergkuppe genommen. Aber hier gab es den gleichen Anstieg, nur ein Stück später, im Wald versteckt. Der war bestimmt auch viel steiler auf einer zerschundenen Piste. Ich habe auf dieser Abkürzung bestimmt keine Zeit und Anstrengung gespart.

Kurz vor Serdio, wo ich in der „Gloria“-Bar neben der Kirche meinen „Café con leche“ und eine Tortilla genommen habe, laufen die Wegvarianten zusammen und bald hinter dem Ort trennt sich der Camino Lebaniego vom Camino del Norte. Er führt über gut 70 km von San Vicente zum Kloster „Santo Toribio de Liébana“ und ist mit einem roten Kreuz markiert. Andere behaupten, dass er bereits in Santander beginnt und bis San Vicente deckungsgleich mit dem Camino del Norte verläuft. Deshalb hat man ab Santander den gemeinsamen Weg mit Steinplatten markiert, auf dem sowohl die Muschel für den Camino del Norte, als auch das Kreuz für den Camino Lebaniego eingraviert und gelb bzw. rot ausgemalt sind.

19.30 Uhr. Ich bin kurz nach vier in Pendueles angekommen, jenen Ort, den wir uns als heutiges Tagesziel auserkoren hatten. Das waren ca. 26 km. Ein kleines Stück mehr wäre zu schaffen gewesen, aber auf den nächsten 12 km bis Llanes gibt es keine bezahlbaren Herbergen, abgesehen von einer im hiesigen Nachbardorf Vidiago, die aber nicht direkt am Weg liegt. Von meinen vier Kameraden oder irgendwelchen anderen Pilgern habe ich den ganzen Tag niemand getroffen, außer zwei Deutsch-Spanier, die aber mufflig waren und jedes Gespräch im Ansatz abgewürgt haben.

Nach gut der Hälfte der Strecke ging es endlich permanent bergab nach Unquera, einem Straßendorf an einer Nationalstraße mit vielen Geschäften und Gaststätten. Dort hat mich die Reklame eines (hier noch nicht gesehenen) China-Imbiss verleitet, mir einen Teller gebratene Nudeln zu holen, aber der Imbiss war wegen Urlaub geschlossen. Ersatzweise habe ich in einer Bar wieder ein mehrstöckiges Sandwich genommen. Das war lecker! In Unquera führt der Jakobsweg über den Rio Deva, der die Grenze zwischen Kantabrien und Asturien markiert. Ich bin jetzt also in der „autonomen Gemeinschaft“ (Provinz) Asturien mit der Hauptstadt Oviedo und etwa 1 Million Einwohnern. Zu erkennen ist das erstmal nur daran, dass die Nummern der Landstraßen mit AS und nicht mehr mit CA beginnen. Außer­dem sind die Jakobswegmarkierungen etwas anders: Eine sich nach oben verjüngende, kleine Betonstele, in die eine blau-gelbe Keramikmuschel eingelassen oder aufgeklebt ist.

Hinter Unquera, das ja knapp über Meeresniveau liegt, ging es wieder steil bergauf, knapp 2 km auf einer breiten, mit rechteckigen Natursteinplatten belegten Piste. Sowas nimmt man bei uns, um mal eine Wand oder den Sockel des Hauses zu bekleben, wenn man es sich denn leisten kann! Hier rattern die Autos drüber und besonders im letzten Abschnitt, wo der Bauer mit seinem Traktor über die Piste fährt, sind unzählige Platten gebrochen oder sie fehlen gänzlich. Für den Fußgänger wird es da gefährlich.

In Colombes, das in Reiseführern als Etappenziel ausgewiesen ist, gibt es eine ganzjährig geöffnete Herberge mit 130 Plätzen in 14 Räumen. Als ich da nachmittags vorbei bin, war zwar offen, aber noch gähnende Leere. Hinter Colombes führt dann der Weg mit einigem Auf- und Ab in Richtung Küste. An der Nationalstraße N-634 angekommen, zeigt ein auf der Straße aufgemalter gelber Pfeil mit der Beschriftung „CS“ (Camino Santiago) zum Wasser. Tatsächlich geht da ein kleiner Trampelpfad hinunter zur Bahnlinie und verliert sich dort. Vermutlich soll man hinter den Gleisen durch ein Tiergatter gehen und sich dann durch die Wiesen oben auf den Klippen selbst seinen Weg suchen. So sieht es auch der heruntergeladene GPS-Track. Bei schönem Wetter mag das ja Spaß machen, aber bei einer nassen Wiese und einer dicken Wolke über sich, hält sich der Spaß in Grenzen. Auf den Bildern sieht es über dem Meer schön blau aus, aber das ist unter der Wolke hindurch fotografiert.

Ich bin wieder zurück zur Straße und auf dieser die letzten Kilometer bis Pensuela gelaufen. Da auch an der Straße Jakobsweg-Schilder stehen, ist das wohl ein zulässiger Weg. Aus einem parkenden Auto heraus hat mich ein Mann (vermutlich) gefragt, ob ich noch eine Unterkunft suche, und mir die Visitenkarte der Herberge „Case Flora“ in Pendueles in die Hand gedrückt. Das ist eine der beiden bezahlbaren privaten Herbergen im Dorf. Die dritte, die auf Spendenbasis arbeitet, öffnet wie so viele andere erst am 1. April.

Die 15-Euro-Herberge „Case Flora“ habe ich dann auch angesteuert und ein Bett in einem der drei 5-Bett-Zimmer bekommen. Und ich bin immer noch der einige Gast. Das ist zwar etwas ungewohnt, aber vermeidet das Warten an der Dusche oder vorm Klo. Auf der Suche nach meinen Kameraden bin ich nochmal raus auf die Straße, aber da in keiner der Kneipen einer von ihnen saß, bin ich in den kleinen Kaufmannsladen, habe mir dort am Wurststand ein Sandwich machen lassen und was zu essen und zu knabbern eingepackt. Beim Bezahlen stand plötzlich Björn hinter mir. Er und die drei anderen sind in der zweiten Herberge „Castiellu“ untergekommen, wo sie für je 20 € ein schönes Viererzimmer mit Trenn­wänden zwischen den Einzelbetten haben. Sie wollen dort auch noch zum Abend essen, aber ich habe mich nicht angeschlossen, da ich ja mein Abendbrot in der Tüte hatte. Wir werden uns morgen wieder sehen.

Camino del Norte - Tag 13