Unterwegs auf dem Camino del Norte
Von Vilanova de Lourenzá nach Gontán

Tag 25 (Donnerstag, 30.3.2023) von Vilanova de Lourenzá nach Gontán

13.00 Uhr. Ich sitze im Wald und mache Pause. Heute ist wieder eine Bergtour angesagt. Zwar fast alles auf asphaltierter Straße, aber trotzdem anstrengend. Inzwischen sind alle an mir vorbei gezogen, da kann ich es mir ruhig mal am Wegesrand gemütlich machen und den Blick auf den nächsten Anstieg „genießen“. Heute früh bin ich mit Alex ziemlich spät aufge­brochen. Wir haben uns gestern gegenseitig bemitleidet, dass es hier nirgends Rühreier gibt. Da wir in unserer Herberge eine gut ausgestattete Küche hatten, hat Alex außer den Zutaten für das fürstliche Abendbrot auch noch Eier und Bacon fürs Frühstück mitgebracht. Weil er noch nicht so richtig aus den Federn kam, hatte ich die Pfanne schon mal in Gang gesetzt, sodass wir gleich frühstücken konnten, als er sich aus dem Bett geschält hatte.

19.30 Uhr. Ich bin kurz nach fünf in der sehr ordentlichen 8-Euro-Herberge von Gontán (Ortsteil von Abadin) angekommen, habe mein Bett bezogen und eine halbe Stunde Tief­schlaf absolviert. Dann war ich in Abadin im „SPAR“ einkaufen, hab gegessen und will mich jetzt meinem Tagesbericht widmen. Die letzte Herberge in Villanova de Lourenzá lag auf der Hälfte der Etappe Gondán (mit ‚d‘) - Mondoñedo. Da das mit knapp 16 km eine sehr kurze Etappe war, blieben nur 8 km übrig und es bot sich an, diese mit der nachfolgenden 17-km-Etappe Mondoñedo - Abadin zu kombinieren. Dass die stressig werden wird, war aus dem Pilgerführer ersichtlich, aber da etwas abzukürzen war gar nicht möglich, da erst kurz vor dem Etappenende die hiesige Herberge kommt.

Für die Etappe Mondoñedo - Abadin gibt es zwei Varianten. Die originale ist eine Art Kamm­weg, der keine Dörfer berührt und extrem anstrengend sein soll. Die andere, weiter südlich verlaufende Route, die als „Camino Complementario“ (ergänzender Weg) ausge­schildert ist, ist nicht ganz so schlimm und führt an ein paar Dörfern vorbei, wovon man allerdings nicht viel hat, weil es da weder Gaststätten noch Geschäfte gibt. Der Sohn der Herbergsmutter hatte uns gestern dringend empfohlen, letzteren Weg zu nehmen und hat uns als Abschreckung das Wegeprofil des anderen Weges gezeigt, das wie die Abbruch­kante an der Steilküste aussah. Jener Weg wäre zwar etwas kürzer, aber man bräuchte mindestens zwei Stunden mehr. Der zahnlose Ehemann hat uns anschließend mit Händen und Füßen das Gleiche erklärt.

Wie sich schnell zeigte, war der leichtere Weg hinreichend schwer zu gehen. Es ging ganz stetig bis auf über 500 Meter. Bis Lousada auf 400 Meter Höhe halbwegs gemäßigt, aber mit stetem Auf und Ab. Ab da gab es nur noch die Richtung nach oben, bis man auf Höhe der Autobahn war, die man zuvor aus dem Tal ganz oben entlang der Gipfel bestaunt hat. Das war wirklich anstrengend und ich habe es vermutlich nur geschafft, weil ich mich, statt alle hundert Meter eine Verschnaufpause zu machen, vor dem steilen Anstieg auf einen Holzhaufen am Wegesrand gelegt und eine Stunde geschlafen habe. Landschaftlich war die Etappe sehr reizvoll, denn an den Berghängen konnte man immer wieder ganz- oder halbverlassene Weiler mit Häusern aus Naturstein und Schieferdächern sehen. Die Flächen dazwischen sind nur als Weide zu gebrauchen und obwohl alles so menschenleer schien, waren auf fast allen Weiden Tiere, meist Rinder, zu sehen.

Als ob das stete Bergauf-Laufen nicht schon schwer genug wäre, blies heute den ganzen Tag ein Wind, den man bei uns einen Sturm genannt hätte. Die Wetter-App hat dazu aber nur eine „mittlere Windwarnung“ vermeldet. Je höher man kam, desto stärker wurde der Wind, der natürlich von vorn kam. Oben, bei 523 Meter auf dem baumlosen Pass angekommen, kam man selbst auf ebener Straße kaum vorwärts, so stark blies einem der Wind entgegen. Für das letzte Stück vom Pass nahe einer Autobahnausfahrt bis kurz vor Gontán bin ich auf der durch Bäume und Sträucher etwas windgeschützten Landstraße geblieben, statt den parallel dazu, aber höher und ohne Windschutz verlaufenden Weg zu nehmen. Der Heilige Jakobus wird‘s mir verzeihen. Dann bin ich auf einen Weg abgebogen, der direkt auf die Dorfkirche von Gontán und die schräg gegenüber liegende Herberge zuläuft.

Die 8-Euro-Herberge, ganz zentral im Dorf gelegen, ist ein Neubau von 2007. Sie ist sehr praktisch angelegt und in ordentlichem Zustand. Im Erdgeschoss ist die Küche mit einem Essenraum. Dahinter befindet sich noch ein Aufenthaltsraum mit Esstischen und einfachen Ledersesseln ringsum. Im Obergeschoss ist der Schlafraum mit 12 Doppelstockbetten, wobei alle durch Zwischenwände getrennt und (wie schon in den vorigen Herbergen) mit Lese­lampe und USB-Buchse versehen sind. Im Obergeschoss sind auch getrennte Sanitärräume für Männer und Frauen, jeweils mit zwei Klo‘s, zwei Duschen und zwei Waschbecken versehen. Das sollte ausreichen. Außer einem Balkon gibt es auch noch eine Terrasse und nagelneue, noch nicht ausgepackte, schicke Gartenstühle, die sicher dort Verwendung finden sollen. Also wieder eine sehr schöne Unterkunft.

Leider gibt es in der Küche nichts außer einer Mikrowelle - keinen Herd, kein Geschirr und kein Besteck. Wenn man das weiß, kann man sich beim Einkauf darauf einstellen. Wie Alex, der schon vom Einkauf zurück war, bevor ich losging, habe ich mir eine Mikrowellen-taugliche Paella und eine Büchse Muscheln als Upgrade gekauft, da hier oft nicht viele Meeresfrüchte in der Paella zu finden sind. Das hat ganz gut geschmeckt. Da ich mir nicht sicher war, ob ich davon satt werde, habe ich mir noch eine zweite, ähnliche Kombination gekauft. Die werde ich aber wohl heute Abend nicht mehr essen, sondern vielleicht morgen früh, damit ich die nicht rumschleppen muss.

Ein Großteil der Herbergsbelegung ist mit bekannt: Alex, Antoine (der mal wieder Duschen und das Smartphone aufladen will), der Engländer, die Franzosen aus der Dordogne und das spanische Noch-Nicht-Paar, das in der vorigen Herberge war. Dazu zwei Spanierinnen, die neu sind. Insgesamt also 10 Personen, so dass niemand im Doppelstockbett oben schlafen muss. Die Amerikaner haben wohl im Nachbarort ein Hotel genommen.

Auf dem Weg bin ich übrigens wieder auf Thomas aus Leipzig getroffen und ein Stück mit ihm gelaufen. Durch das Vorbeihuschen der hier sehr häufigen Eidechsen sind wir auf die Themen Waldumwandlung, Eidechsenumsiedlung, Ameisenhaufenversetzung usw. ge­kommen, zu denen er als Projektentwickler bei der Bahn viele grauenhafte, aber typische Beispiele beitragen konnte. Besonders hat mir gefallen, dass ihn einer seiner Chefs mal angezählt hat, warum bei der Eröffnung eines neuen Bahnbetriebswerkes noch so viele Schutthaufen auf dem Gelände sind. Das waren die von der Naturschutzbehörde geforderten ortsnahen neuen Habitate für die Eidechsen …

Bis auf den Engländer, der mit mir hier sitzt, schlafen wohl schon alle. Ausnahmslos jeder hat geklagt, dass der Weg ziemlich anstrengend war. Morgen wird es wohl angenehmer werden. Bis Vilalba sind es nur 21 km, die auf halbwegs gleich bleibender Höhe von 500 Metern verlaufen.

Camino del Norte - Tag 25