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Unterwegs von Faro nach Huelva und auf dem Camino del Sur von Huelva nach Zafra | ![]() |
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Tag 4 (Mo, 3.11.2025) Von Lepe nach Huelva (31,4 km)
Als ich gestern Abend in Lepe ankam, begann es gerade zu dämmern. Gleich am Ortseingang lachte mich wieder eine „Goldene Schwalbe“ an. Da habe ich gleich Kurs darauf genommen und dort Abendbrot gegessen. Das ersparte mir den am Sonntagabend schwierigen Einkauf irgendwelcher Lebensmittel.
Vom Ort habe ich nicht viel gesehen, eigentlich nur die hell erleuchtete Kirche „Santo Domingo de Guzmán“, auf die ich gerade zu gelaufen bin. Da stand sogar die Tür offen, so dass ich da mal einen Blick reinwerfen konnte. Die Kirchen sind ja hier innen doch sehr verschieden ausge-stattet. Aufgefallen sind mir die vielen Kinder und Jugendlichen in den verkehrsberuhigten Straßen der Innenstadt. Da musste ich des Öfteren mein fehlendes Fußballtalent zeigen, weil mir ein Ball entgegen kam.
Mein Hotel war schnell gefunden und stellte sich als sehr ordentlich heraus. Das Zimmer war etwas geräumiger und moderner ausgestattet, als in Vila Real und genauso sauber. Ich musste hier ein Doppelzimmer nehmen, weil die drei Einzelzimmer, die es mittags noch gab, plötzlich alle vergeben waren. Damit hatte ich nicht gerechnet. Da der Preis nur unwesentlich höher war, hat mich das aber nicht gejuckt.
Allein hatte ich kein Problem mit dem Doppelbett, aber ein Paar hätte sich hier eventuell in die Wolle gekriegt. Hier gab es nämlich nicht nur eine gemeinsame Bettdecke, sondern auch ein gemeinsames Kopfkissen, das von einer Bettkante zur anderen reichte. Wenn da einer gern sein Kopfkissen unter dem Kopf knüllt und der andere es vielleicht lieber zum Lesen hochkant stellt, dann kann es leicht zu einem Streit kommen. Und das Dumme ist, dass man den leider nicht mit einer klassischen Kissenschlacht ausklingen lassen kann.
Da ich das riesige Kissen ganz für mich allein hatte, habe ich gut und vergleichsweise lange geschlafen. Um sechs war ich erstmals wach und bin gleich aufgestanden, da heute eine lange Etappe anstand. Genau ließ sich die Route vorab nicht planen, weil in der Karte nicht wirklich zu erkennen war, welche Wege gangbar sind. Sicher war nur, dass es über dreißig Kilometer werden. Darum war ich froh, um sieben starten zu können, obwohl es da noch dunkel war. Aus der Stadt heraus war es in der Dunkelheit nicht so schön zu laufen, da die nicht beleuchtete Ausfallstraße nur einen schmalen Randstreifen hat und ziemlich viel Verkehr war.
Bis zum nächsten Ort, Cartaya hätte man wieder auf den Radweg entlang des ehemaligen Bahndamms wechseln könne. Der macht aber einen großen Bogen nach Norden, um auf einer eigenen Brücke den Río Piedras zu überqueren. Da die N-431 außerhalb der Stadt einen breiten Standstreifen hat und es mittlerweile hell war, bin ich auf der Straße geblieben, was eineinhalb Kilometer gespart hat. Da wo die Straße den Río Piedras überquert, ist dieser nur ein schmaler Bach, der so zugewachsen ist, dass man das Wasser kaum sehen kann.
In Cartaya bin ich von der am Stadtrand verlaufenden N-431 runter und quer durch die Stadt gelaufen. Viel zu sehen gab es da nicht, aber eine Bar, in der man den am Morgen ausgefallenen Kaffee nachholen konnte.
Hinter Cartaya musste ich wieder ein Stück an der Straße laufen, bis sich auf Höhe der Tankstelle die Möglichkeit bot, nach rechts auf eine kleine Straße zu wechseln, die gen Osten in Richtung Aljaraque führt, wo ich hin wollte. Diese asphaltierte Straße wird anfangs fast lückenlos von Plantagen begleitet, sehr ordentlichen und verwilderten, welchen mit Folienzelten und welchen ohne. Dann stehen irgendwann immer öfter Pinien an der Straße, die rechts einen Wald bilden, während links eine Ansammlung von Wohngrundstücken erscheint. Manche sind wie ein Schrebergarten mit einer Laube bebaut, andere mit ordentlichen Wohnhäusern und wieder andere mit nie fertig gewordenen Bauten. Und fast jeder hat auf seinem Grundstück auch noch ein paar Folienzelte zu stehen. Angebaut werden hier vor allem Apfelsinen, Zitronen und Pfirsiche, die ich in solcher Größe bisher noch nicht gesehen hatte.
Hinter der Siedlung wurde es spannend, denn da bog die Straße ab und ich musste in den Wald, um halbwegs die Luftlinie einzuhalten. Das erwies sich dann aber als unproblematisch. Der in der Karte einge-zeichnete Weg war ein befahrbarer Forstweg. Der Pinienwald war recht licht und damit hell. Da, wo gestern Kakteen unter den Bäumen standen, waren es heute Palmwedel. Es hat richtigen Spaß gemacht, da zu laufen. Man musste nur bei jeder Wegkreuzung die Karte konsultieren, weil hier nichts ausgeschildert ist und die Wegbeschaffenheit nicht unbedingt mit der Darstellung des Weges auf der Karte korreliert. Im Wald ist mitunter das, was als schmale Straße eingezeichnet ist, kaum mit dem Mountainbike zu bewältigen und ein gestrichelt eingezeichneter Weg kann so glatt und breit sein, dass da zwei LKW aneinander vorbeikommen.
Ich bin gut und schnell vorangekommen und wie erhofft an einer Stelle auf den Kanal (Canal del Piedras) getroffen, wo eine Brücke rüber führt. Ein Stück ging es entlang des Kanals und dann bei nächster Gelegenheit wieder links weg. Diese Straße tritt bald aus dem Wald raus und wird dann links von Fincas und rechts von Plantagen begleitet. Geradezu ist schon der kleine Berg zu sehen, auf dem sich das Städtchen Aljaraque befindet. Den hätte man auf der Straße umrunden und sich damit den Aufstieg sparen können, aber mich hat das Kirchlein auf dem „Gipfel“ gereizt, dessen Turm über den Häuser herausragte. Die Kirche war natürlich zu, aber ein Stück weiter war das Rathaus offen, so dass ich mir da einen Stempel holen konnte. Gestern im Hotel gab es nämlich keinen. Da ich sehr gut in der Zeit lag, bin ich in eine Seitenstraße abgebogen und habe mir da in einer Gaststätte einen Kaffee, Tomaten-Toast und Bier kommen lassen - nicht, ohne vorher zu prüfen, ob es auch eine Steckdose zum Aufladen des Smartphones gibt. Den frischen Strom habe ich gleich genutzt, um noch mal nach Quartieren in Huelva zu schauen. Ich hatte nämlich noch nichts gebucht. Bei meinen Recherchen vor der Abreise hatte ich in Huelva drei Hostels mit 26…28 € gefunden und gemeint, in einem davon absteigen zu können.
Aber schon vor zwei Tagen habe ich gesehen, dass diese ausgebucht und nur noch Zimmer ab 36 € zu haben sind. Und nur noch wenige … Ich habe mich zum Glück nicht zur Panik hinreißen lassen und nichts übereilt gebucht. Ich bin ja auf dem Pilgerweg und da wird sich schon was finden. Tatsächlich habe ich zwischen Kaffee und Bier in einem Pilgerforum eine Herbergsliste für den Camino del Sur gefunden, oder besser eine Liste, wo man in welchem Ort nach einem Quartier fragen kann. Oben an war die Telefonnummer der „Vereinigung der Freunde des Jakobsweges“, auf Spanisch „Asociación de Amigos del Camino de Santiago“ oder kurz „AACS“ in Huelva genannt. Die Nummer habe ich gleich mal eingetippt und gesehen, dass die bei WhatsApp registriert ist.
Prima, denn Telefonieren hätte bei meinen Sprachkenntnisse nicht viel gebracht. Ich habe da eine WhatsApp mit der Frage nach einer preiswerten Unterkunft in Huelva hingeschickt und schon nach wenigen Minute kam von einem „Amigo“ namens Fernando eine Sprachnachricht, dass ich für 20 € im Kloster am Santuario unterkommen kann.
Ehe ich antworten konnte, kam schon die zweite Nachricht, dass er dort schon mal ein Zimmer reserviert hat und dass ich bis um neun dort sein müsste. Für die Folgetage kamen auch gleich Empfehlungen. Das ist ein ganz toller, lobenswerter Service, für den ich sehr dankbar bin. Das einzig Beklagenswerte ist, dass Fernando nichts schreibt, sondern alles verbal macht. Ich war gerade in den Fängen eines Autobahnkreuzes, als seine ersten Nachrichten kamen und ich musste erstmal weit in den Wald, um die Nachrichten abzuhören. An der Straße war nichts zu verstehen. Ich schreibe und Fernando antwortet in Englisch. Das ist an sich kein Problem, aber wenn es um Ortsnamen oder Namen von Unterkünften geht, muss man die Nachricht mitunter x-mal abhören. Beim Kloster habe ich z.B. darum gebeten, mir den Namen zu schreiben, damit ich es auf der Karte suchen kann. Zurück kam eine ausführliche verbale Wegbeschreibung. Ich vermute mal, dass Fernando nebenbei was zu schaffen und keine Hand zum Schreiben frei hat. Ihm sei deshalb verziehen und nochmals herzlich für sein Engagement gedankt.
Britta und Thomas, die ich vor drei Tagen getroffen habe, erzählten mir, dass sie in Huelva in einem Kloster übernachtet haben, worauf ich bei Google nach „Übernachten Kloster Huelva“ gesucht habe und von Booking.com, Expedia usw. Übernachtungen in Klöstern weltweit, aber nicht in Huelva angeboten bekommen habe. Und das Kloster „La Rábida“ in Huelva (Monasterio de Santa María de La Rábida), das man besichtigen kann und wo die Reisegruppen hin gekarrt werden, schied irgendwie aus. Nach wiederholtem Abhören der Sprachnachrichten war klar, dass es sich nur um das „Santuario de Nuestra Señora de la Cinta“ am nördlichen Stadtrand von Huelva handeln kann. Da werde ich also heute übernachten.
Von Aljaraque aus war mein Ziel, Huelva, längst zu sehen. Jenseits eines breiten Flussdeltas geradezu hohe, helle Häuser und nach rechts, zum Meer hin, zunehmend Hafen- und Industrieanlagen. Als Weg in die Stadt hinein habe ich den Radweg gewählt, der südlich der direkten Verbindung in einem Bogen durch die Salzwiesen verläuft und dabei dem Río de Aljaraque folgt, der kurz vor Erreichen von Huelva in den Río Odiel mündet. Über diese Mündung spannen sich zwei nebeneinanderliegende Brücken. Eine für die Autobahn A-497 und eine für die Straße VM-497. Der Radweg folgt letzterer zunächst ebenerdig, dann geht es auf einem von der Fahrbahn massiv getrennten Streifen auf der Brücke weiter. Von oben ergibt sich in alle Richtungen ein grandioser Blick, zum Beispiel nach rechts auf eine alte Eisenbahn-Verladerampe, die weit in den Río Odiel hineinragt, damit dort auch Schiffe mit großem Tiefgang beladen werden können. Jetzt kann man da zu Fuß oder mit dem Rad seine Erkundungen machen.
Den Blick konnte ich lange genießen, denn eine halbe Stunde ist man bestimmt auf der Brücke unterwegs. Auf der anderen Seite ange-kommen, steht man vor einem großen, aufgegebenen Shopping-Center. Zum Glück hat sich da eine Bar an der Ecke gehalten, denn ich musste dringend mein Smartphone aufladen, unter anderem, um Fernandos Nachrichten abhören zu können.
Nicht weit vom Brückenkopf ist die Kirche „Santiago Apostol“, wo offiziell der Camino del Sur beginnt. Da wollte ich natürlich unbedingt hin, um mir einen Stempel zu holen und ganz offiziell dort zu starten. Die Kirche liegt in einem schon etwas in die Jahre gekommenen Neubaugebiet und ist gar nicht so leicht zu finden. Es ist nämlich kein freistehendes oder in die Häuserreihe eingefügtes Gebäude, sondern eher ein Laden, der sich neben Geschäften, Sportstudios usw. im Erdgeschoss eines Wohnhauses befindet. Darin ist ein Gottesdienst-raum, der auch für den Religionsunterricht der Kinder benutzt wird. In eine solche Unterrichtsstunde bin ich im wahrsten Sinne des Wortes hineingestolpert, denn am Eingang waren die Schulmappen aufgereiht. Eine der beiden Betreuerinnen, die den Beamer bediente, ist zu mir gekommen und dann in einen Nebenraum verschwunden, um den Stempel zu holen. Die andere hat den Kindern kurz erklärt, was es mit der Muschel auf sich hat, und als ich wieder ausgebrochen bin, haben mir alle nachgewinkt. Ein schöner Start!
Der Weg macht zunächst eine Runde durch das Wohngebiet, deren Sinn mir erst klar wurde, als ich das Straßenschild „Santiago Apostol“ gesehen habe. Es ging dann durch das Zentrum vorbei an der leider bis 18 Uhr geschlossenen Kathedrale und der daran angebauten Universität. Danach in einem weiteren Bogen vorbei an der Kirche San Pedro und der Kapelle „Ermita de la Soledad“, die natürlich auch beide geschlossen waren. Damit habe ich vermutlich den Großteil der baulichen Sehenswürdigkeiten zu sehen bekommen. Ansonsten besteht die Stadt, die immerhin 143.000 Einwohner hat, überwiegend aus Neubauten. Man muss aber anerkennen, dass man sich Mühe gegeben hat, der Stadt trotzdem ein angenehmes Aussehen zu geben.
Der Karte und damit auch der verbalen Wegbeschreibung Fernandos folgend, habe ich mich auf das Plateau begeben, das parallel zum Flussdelta nach Norden führt. Von dort oben hat man einen hervorragenden Blick auf den hier etwa drei Kilometer breiten Streifen von Salzwiesen, durch die sich der Río Odiel und diverse Zuflüsse schlängeln und nun in der Abendsonne glänzen. Am Ende des Plateaus steht eine schöne, kleine Wallfahrtskirche, die innen und außen sehr interessant aussieht und durch leise Musik alle Leute herein zieht, die eigentlich nur mal den Kopf durch die Tür stecken wollten. Im daneben liegenden Souvenirladen habe ich einen Stempel bekommen und Instruktionen, wie ich auf das angrenzende Klostergelände komme.
Auf mein Klingeln öffnete sich das Tor und ich stand auf dem U-förmigen Vorhof des kleinen, nur zweistöckigen Klostergebäudes, dessen Obergeschoss offenbar ausschließlich Gästezimmer enthält. Von den Nonnen habe ich nur jene zu sehen bekommen, die mir den Schlüssel überreicht und mein kleines, aber ordentliches Zimmer gezeigt hat. Ansonsten laufen hier viele Priester herum, die vermutlich zu Exerzitien, also zur „geistlichen Weiterbildung“ hier weilen. Pilger habe ich leider nicht angetroffen.
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Camino del Sur - Tag 4 | ![]() |