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Unterwegs von Faro nach Huelva und auf dem Camino del Sur von Huelva nach Zafra | ![]() |
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Tag 8 (Fr, 7.11.2025) Von Minas de Riotinto nach Campofrío (21,5 km)
Der Infrarot-Heizer hat gestern leider nicht lange durchgehalten. Von den zwei Heizstäben ging eh nur einer und der andere ist noch ausgefallen, bevor ich ins Bett bin. Also habe ich mir gleich den Anorak angezogen, bevor ich in den Schlafsack gekrochen bin. Damit ging es ganz gut und ich habe bis zum Morgen durchgeschlafen. Die beiden Sprungmatten übereinander waren perfekt.
Den Empfehlungen von Fernando und Juan Carlos folgend, bin ich nicht auf der Straße nach Campofrío gelaufen, sondern auf einer neuen Variante des Camino über Nerva. Die war zwar mit über zwanzig statt zehn Kilometern wesentlich länger und mitunter etwas anstrengend, aber wie ich am Ziel gesehen habe, wäre die Straße auf der ganzen Länge ohne brauchbaren Randstreifen gewesen. Da macht es keinen Spaß, am Straßenrand zu laufen. Der neue Weg ist auch schon als Jakobsweg ausgeschildert, wenn auch noch etwas spärlich. Aber Juan Carlos hatte mit einen GPS-Track geschickt, den ich in meinem Kartenprogramm „Mapy“ laden und dann danach laufen konnte.
Mein Quartier in der Sporthalle war genau am richtigen Platz. Ich brauchte mich nur drehen und war schon auf dem Weg, der die Straße nach Nerva aus der Stadt hinaus begleitet. Es ging zunächst vorbei an einer langen Reihe identischer Hallen, in denen vom Marmorschleifer, über Autowerkstätten bis hin zum Fitness-Studio alle möglichen Gewerbetreibenden vertreten sind. Das ist zwar keine Augenweide, aber besser als ein Wildwuchs irgendwelcher Hütten.
Nach wenigen hundert Metern ging der Weg rechts ab. Genau an der Stelle gab es einen tollen Blick von hinten auf die Halden, die rings um die Grube „Cerro Colorado“ aufgetürmt wurden. Jetzt verstehe ich auch, warum die auf der Webseite der Stadt angegebenen und hier genannten Tiefen der Gruben viel größer sind, als das, was man beim Zählen der Höhenlinien auf der Karte herausbekommt. Vermutlich rechnen die von der Oberkante der Halde. Überhaupt bleibt einem als Laien so vieles schleierhaft. Mich würde zum Beispiel interessieren, wer nach welchen Kriterien entscheidet, ob das, was der Bagger auf die Dumper lädt, auf die Halde oder in die Fabrik kommt. Das, was da auf die Halde geschüttet wird, sieht nämlich genauso bunt aus, wie das, was in der Grube abgebaggert wird. Da wundert man sich, dass da nicht das „Gute“ aus den Steinen rausgeholt wurde. Sicher, weil es sich nicht lohnt. Aber wer entscheidet das nach welchen Kriterien? Wenn man der Sprache kundig wäre, würde man das vermutlich bei einer der angebotenen Besichtigungstouren erfahren.
Der Weg führte von der A-476 weg und einen kleinen Abhang hinab zu einer kleinen, kaum befahrene Straße, die in einem Bogen nach Nerva führt. Hinter einer Kurve sehe ich plötzlich am Berghang die Chinesische Mauer. Zumindest sieht das Gebilde, dass sich von der Straße bis zur Kuppe hinzieht, so aus. Und beim Näherkommen, sieht man dann noch alles doppelt, denn es ziehen sich zwei „Chinesische Mauern“ den Berg hoch. So ganz erschließt sich für mich nicht der Sinn. Aber da auf der anderen Straßenseite Reste von Industrieanlagen und Gleise zu sehen sind, vermute ich, dass in den „Chinesischen Mauern“ Material, das im oder hinter dem Berg gefördert wurde, nach unten zu den Anlagen transportiert und dort weiter verarbeitet wurde. Da einige der Ruinen aus Beton sind, kann das alles noch nicht so richtig alt sein. Leider war nirgendwo ein Schild zu sehen, auf dem dazu mal was erklärt wird.
Ein Stück weiter liegt zwischen der Straße und dem fast ausgetrockneten Rio Tinto der Bahnhof „Talleres Mina“, den man schön herausgeputzt hat, weil dies der Start- und Zielbahnhof der Museumsbahn ist. Gleich dahinter ist ein Stausee des Rio Tinto, der aber genauso ausgetrocknet ist, wie der Fluss selbst. Da vor mir schon wieder riesige, bunte Abraumhalden auftauchten, bin ich mit starrem Blick darauf, falsch um den See herum gelaufen, was aber kein Problem, sondern nur ein kleiner Umweg war. Auf der vorletzten Galerie der Halde kamen nämlich laufend Dumper, die rückwärts an den Hang fuhren und ihre Ladung den Berg runter kippten. Das war gerechnet auf den Berg immer eine lachhafte Menge. Wenn der Dumper wieder weg fuhr, hat man nicht gesehen, dass da etwas an Material dazugekommen ist. Da müssen schon zig tausend Dumper ihre Mulde ausgekippt haben.
Nerva ist ein nettes Städtchen, das sich von anderen dadurch unterscheidet, dass das Rathaus einen richtigen Turm hat, während die fast daneben stehende Kirche nur mit dem üblichen Giebel statt Turm aufwarten kann. Schön anzusehen sind die bunten Keramikbilder, die hier die Straßenschilder ergänzen. Da Nerva der einzige Ort auf der heutigen Etappe ist, bin ich da nochmal eingekehrt und dann weiter den Camino-Schildern in Richtung Campofrío gefolgt.
Auf dem weiteren Weg, der zunächst durch regelrechte Slums und dann durch schönen Pinienwald führte, waren immer wieder Reste früheren Bergbaus zu sehen. Der Weg kreuzte außerdem mehrmals einen Bach, der so aussah, wie ich den Rio Tinto von Bildern kenne: eine rote Brühe. Dann führte der Weg durch eine verfallene Bergbausiedlung, in der sich aber ein paar Leute niedergelassen haben. Wovon die hier leben und wie die ihren Tag verbringen, möchte ich gern wissen. Gesehen habe ich keinen Menschen, dafür umso mehr Hunde, die zwar gebellt haben, aber friedlich blieben. Zwei große sind mir ein Stück nachgelaufen, aber vermutlich nur aus Neugier, denn sie haben respektvoll Abstand gehalten.
Etwa auf der Hälfte der Strecke kam das, worauf ich mich schon so gefreut habe: die Grube „Peña del Hierro“. Das ist ein vergleichsweise kleiner, fast runder Tagebau, der aufgegeben wurde und voll Wasser gelaufen ist. Da gibt es am Grubenrand einen Aussichtspunkt, von dem man einen hervorragenden Blick auf den „Kratersee“ hat. Das Wasser ist da dunkelrot, als hätte man eine Sau geschlachtet. Da hätte ich stundenlang sitzen und staunen können. Hier wurde übrigens auch unter Tage abgebaut, wie man an dem Förderturm und Resten der Anlage ganz in der Nähe des „Kraters“ sehen kann. Das Bergwerk kann man gegen Eintritt besichtigen, auch einen Tunnel, der zum „Kratersee“ führt und dort knapp über dem Wasser seine Öffnung hat. Dafür war aber keine Zeit. Außerdem haben mich die bunten Halden, die jetzt immer wieder zu sehen waren, viel mehr gereizt.
Auf der Karte war zu sehen, dass ich um einen Stausee herumlaufen muss. Als weit vor mir eine große Wasserfläche auftauchte, dachte ich, das wäre der Stausee. Aber nein, da hat man ein neues, viel größeres Reservoir angelegt. Wie es aussieht, sind Bagger und Dumper gerade damit beschäftigt, einen Damm ringsherum zu errichten. Was das Ganze soll, weiß ich nicht, es ist auch auf der Karte nichts zu sehen. Ich könnte mir vorstellen, dass man dort wie in einer Saline mineralhaltiges Wasser verdunsten lässt. Das ist nur meine Idee, würde aber Sinn machen. Eine andere Idee, die ich hatte, wurde hier bereits umgesetzt: Auf einigen Halden hat man oben großflächig Solaranlagen raufgesetzt. Das ist besser, als den Bauern die Felder damit vollzustellen.
Bedauerlicherweise waren inzwischen Wolken aufgezogen und von der Farbenpracht der Halden in der Ferne nichts mehr zu sehen. Die standen jetzt einfach nur noch grau herum. Leider verlief der Weg heute nicht mehr auf einer früheren Bahntrasse, was man gleich in den Beinen zu spüren bekam. Der Weg führte permanent auf und ab und kaum ein Hügel wurde nicht erklommen. Zudem war der Weg mitunter ziemlich felsig und von Wasserläufen zerfurcht, weshalb man stets darauf achten musste, wo man hintritt. Spätestens am Stausee hätte ich erwartet, dass man da halbwegs eben vorankommt. Aber weit gefehlt. In allen kleinen Tälern, die zum See führen, ging es bis nach unten und dann wieder hoch. Und auch auf dem letzten Stück nach Überqueren der A-461 ging das so weiter. Der Weg verläuft die letzten Kilometer bis zum Ort parallel zur Straße - aber wie sich herausstellte, dutzende Meter höher. Ohne die vielen schönen und interessanten Blicke wäre heute das ständige Auf und Ab frustrierend gewesen.
In Campofrío angekommen, wollte ich eigentlich erstmal in die Bar, bevor ich wie von Fernando vermittelt, Cipri anrufe, der mich zur Herberge führt. In der Bar war aber ein solcher Lärm, dass ich gleich wieder raus bin. Draußen war es aber eigentlich auch nicht besser, weil da acht bis zehn rauchende Männer standen und rumgelärmt haben.
Ich habe deshalb doch gleich angerufen und jemand am anderen Ende gehabt, der mich nicht verstanden hat - und ich ihn auch nicht. Noch während ich eine Nachricht, dass ich angekommen bin, schreibe und übersetze, ruft mir jemand von hinten zu: Cipri, der direkt gegenüber der Bar wohnt. Da man hier in dem Ort reinkommt und dies die einzige Bar ist, kann man sich eigentlich nicht verfehlen. Er hat schnell den Schlüssel geholt und ist mit mir zu der nur wenige Meter entfernten Herberge.
Auf dem Platz (Plaza España), an dem die Bar und ein Kinderspielplatz liegen, steht ein würfelförmiger Bau, der auf der einen Seite öffentliche Toiletten und auf der anderen Seite eine kleine Drei-Betten-Herberge enthält. Nicht sonderlich komfortabel oder gemütlich, aber dem Zweck entsprechend. Und es ist keine umgestaltete Rumpelkammer, sondern eine Herberge, die als solche von der Stadt gebaut und eingerichtet wurde. Tolle Sache. Und die Unterkunft ist sogar umsonst!
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Camino del Sur - Tag 8 | ![]() |